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Aufgetischt wurde zur Tafelmusik in der Orangerie von Sanssouci ein fürstliches Sechs-Gänge-Menü, angereichert mit Geschichten des Haushofmeisters Michael Adam.

© A. Klaer

Kultur: Preußische Komplimente

Klassik fürs Handgepäck und musikalische Tafelfreuden zum Ende der Musikfestspiele in Sanssouci

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„O wie köstlich ist das Reisen, mancherlei man profitiert“, verkündet ein lustiges Duett aus Lortzings „Undine“. Unter anderem Geld, Ehre, Aufträge, Ansehen über Landesgrenzen hinweg, wovon wiederum die Toptrias der Wiener Klassik mit Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven profitierte. Manche notennotierte Köstlichkeit hatten sie dabei im Reisegepäck. Wo künftig seine Brötchen verdienen? Diese Frage stellte sich auch für den Geiger Johann Peter Salomon, nachdem Prinz Heinrich seine Rheinsberger Hofkapelle aufgelöst hatte, in der er als Konzertmeister gewirkt hatte. Er wanderte nach London aus, wurde Verleger und Konzertmanager, begeisterte sich für die Werke von Mozart und Haydn, holte letzteren auf die Insel und verhalf ihm zu einem zweiten, öffentlichkeitswirksamen Karriereschub.

Von diesen Konstellationen und wie man vor Publikum brilliert, erzählte das Musikfestspiele-Konzert „Klassik fürs Handgepäck“ am Samstag in der Friedenskirche. Im Mittelpunkt stand Johann Peter Salomon mit seiner gefälligen D-Dur-Romanze für Violine und Orchester. Midori Seiler spielte sie gestaltungskonzentriert, mit reinem und klaren Ton, geschmackvoll begleitet vom belgischen Ensemble „Anima eterna“ unter Leitung Jos van Immerseels. Schlanken und weitgehend unpersönlichen Tons ließ sie zuvor Beethovens F-Dur-Romanze op. 50 als eine von romantischem Ballast befreite Piece erklingen. Gefühlssingen war an diesem Abend ihre Stärke nicht.

Dafür begeisterte der Dirigent als Solist auf dem Hammerklavier, darauf sich Mozarts „Jeunehomme“-Konzert Es-Dur KV 271 (neueste musikwissenschaftliche Erkenntnisse schreiben es einer Madame Jenamy zu) in originärer Klanggestalt vorstellte. Es hörte sich cembalonah und ziemlich leise an. Dennoch fand sich das zu feinen dynamischen Abstufungen fähige Instrument bei den Wechselgesprächen mit dem Orchester vorzüglich behandelt, will heißen: „Anima eterna“ nahm sich wohltuend zurück. Dass man sich bei diesen Konstellationen von manchen Hörgewohnheiten trennen musste, verstand sich von selbst. Sehr überraschend, wie schmerzvoll geschärft das Andantino erklang, wie spannungserlösend das turbulente Finalrondo musiziert wurde. Die konsequente Anwendung historischer Gegebenheiten bestimmte auch die bemerkenswerte Lesart von Haydns D-Dur-Klavierkonzert: zügig in den Tempi, frisch in der Artikulation, ohne jegliche gestalterische Betulichkeit. Funkelndes Laufwerk bestimmte die Ecksätze, während das Adagio einer hellwachen Träumerei an esterházyschen Kaminen glich.

Akribischer Notenauslegung befleißigte sich das Orchester auch in der Haydnschen D-Dur-Sinfonie Nr. 57. Geheimnisvoll die langsame Einleitung, die damals wie heute ungeteilte Aufmerksamkeit erheischt. Vorzüglich ließen sich anschließend das turbulent ausgebreitete Themengeflecht entschlüsseln, neue Verschlingungen entdecken. Man musizierte sehr direkt und kontrastbetont. Der Bravojubel wollte kaum enden.

Peter Buske

Es gehörte zu den Tagesgeschäften Joseph Haydns auch für die fürstliche Tafelmusik zu sorgen. Fürst Esterhazy empfing eine große Anzahl von Gästen, die kulinarisch und musikalisch erstklassig bedient werden sollten. Doch nicht nur an der Tafel erklang die unerhaltsame Harmoniemusik, sondern auch auf den zahlreichen Bällen oder beim „Kunstfeuer, Illuminationen, ländlichen Spielen“. Joseph Haydn und seine Hofkapelle wurden nicht arbeitslos. Im Gegenteil. Man musste mitunter musikalisch darauf aufmerksam machen, dass ein paar freie Tage fällig wären.

Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci haben in ihrem diesjährigen Programm „Haydns Welt“ versucht, auch eine fürstliche Tafelmusik-Atmosphäre nachzugestalten. In der Orangerie des Parkes Sanssouci, wo im Winter mediterrane Pflanzen ein schützendes Dach erhalten, wurde eine lange festlich geschmückte Tafel für 200 Personen aufgestellt. Da gab es kein „Oben und Unten“, jeder wurde zur gleichen Zeit mit gleicher Zuvorkommenheit bedient, mit edlen Weinen und einem köstlichen Sechs-Gang-Menü. Das Seminaris Seehotel Potsdam unter der fabelhaften Küchenleitung von Ronald Syzslo verantwortete das geschmacklich und optisch wunderbare Menü.

Lief der Abend ein wenig steif mit den informativen, etwas trockenen Tafelmusik-Geschichten des Haushofmeisters Michael Adam an, so wurden die Gäste beim eher deftigen Bratenarrangement endlich munter. Während des Selber-Schneidens des Fleischs von den großen Platten entwickelten sich plötzlich Gespräche. Und nachdem man den Espresso mit Whisky und einem Schlagobers getrunken hatte, wurde es hörbar noch munterer. Dazu trug sicherlich auch die swingende Tanzmusik von Georges Gershwin bei.

Doch sollte man in der Orangerie vor allem einen Hauch fürstlichen Dinners zur Zeit Haydns erleben. Für die musikalische Unterhaltung konnte das Bläseroktett Amphion gewonnen werden, Musikerinnen und Musiker aus Berliner Orchestern, die teilweise mit historischen Instrumenten auftraten. Vielleicht hätte sich Joseph Haydn gefreut, wenn er bei dieser Tafelmusik in Sanssouci dabei gewesen wäre, denn die meisten Gäste genossen die Musik ganz aufmerksam. Sie sahen sie selten zur Untermalung ihrer Gespräche an, wie es zur Zeit des Komponisten gang und gäbe war. An verschiedenen Stellen der Pflanzenhalle erklangen die Werke, die nicht nur aus Haydns Feder stammen, sondern auch von seinen Zeitgenossen Johann Nepomuk Hummel, Wolfgang Amadeus Mozart (Bearbeitung des „Don Giovanni“ von Josef Triebensee) und von Francesco Antonio Rosetti.

Die Partita des in nordböhmischen Leitmeritz geborenen und in Schwerin gestorbenen Rosetti gehörte zum musikalischen Höhepunkt. Das Werk Rosettis, der Spezialist für Harmoniemusiken und damit für Freilichtkonzerte war, ist klangfarblich und effektvoll angelegt. Das Bläseroktett Amphion spielte es draußen auf der Terrasse bei barocken Lichterspielen und Illuminationen äußerst lustvoll. Man entwickelte tolle Stimmungen und eine von Spannung und Entspannung lebende Vitalität. Eine gute Unterhaltung, für die sich die dankbaren Tafelmusik-Gäste mit langem Applaus revanchierten. Klaus Büstrin

Hier hat er also gesessen, der dicke Willem, auch Friedrich Wilhelm II. genannt, das Cello zwischen den Beinen und vorzugsweise Sonaten von Luigi Boccherini musizierend. Der Palmensaal im Neuen Garten, als Konzertraum zwischen zwei Pflanzenhallen erbaut, war ihm dafür ein passender Musenort. Der Italiener Boccherini im fernen Spanien profitierte von der königlichen Leidenschaft, lieferte ihm Jahr für Jahr zwölf Werke nach Potsdam. Doch auch Haydn wusste sich huldvollsten Interesses zu erfreuen, was ihn bewog, die sechs Streichquartette op. 50 Ihro Majestät zu widmen, die man seither als „Preußische Quartette“ kennt.

An diesem historischen Ort und an des Dicken Stelle sitzt im Konzert der Musikfestspiele am Freitag Mercedes Ruiz als Mitglied des Ensembles „La Real Camara“ und streicht mit altväterlicher Hingabe und Technik ihr Barockcello. Die Mitstreiter Emilio Moreno und Antonio Almela (Violinen) sowie Antonio Clares (Viola) tun es ihr auf ebenfalls barockem Instrumentarium gleich. Kurzfristig wird des Treffens Abfolge geändert, sodass der eine Compositeur – wie eigentlich vorgesehen – nun doch nicht auf den anderen trifft, sondern ihm aus dem Wege geht. Eine diplomatische Entscheidung, denn so kann sich das Auditorium voll auf den jeweiligen königlichen Protegé konzentrieren. Zuerst also die Bekanntschaft mit Haydn und dem ersten seiner preußischen Streichkomplimente.

Es macht durch die punktierten Viertelbewegungen des Cellos aufhorchen. Doch als der Primarius die Triolen zu lebhafter Wirkung bringen will, wird die Hörfreude leider durch vordergründige, leicht schärfliche und höhenspitzige Töne getrübt. Nur selten klingen die mit Darmsaiten bespannten Instrumente ausgewogen zusammen – eher ausgedünnt wie eine auf 0,1 Prozent Fettgehalt reduzierte Vollmilch. Die hohe Luftfeuchtigkeit ist der Grund für die vielen Intonationstrübungen und Nachstimmungen. Mit Mühe bringt man die innigen Gespräche, bei denen so manche kapriziösen Gedanken übereinander purzeln, gut über die Runden.

Origineller als die zum Vortrag geplante Haydnsche C-Dur-Cassation für Gitarre und Streichtrio hört sich die gespielte Variante mit Laute an, auf der José Miguel Moreno eine klangvolle und warmgetönte Intimität zu erzeugen versteht. Nach der Pause greift er zur Gitarre, um auf ihr dem einfallssprudelnden Boccherinischen Quintett Nr. 3 B-Dur die graziös-tänzelnde, dann wieder schmerzzerrissene Affektwürze zu verleihen. Dessen zweisätziges, zwischen quirlig und bedächtig changierendes Streichquartett „La Tirana Española“ erweist sich durch das hell getönte, dynamisch sehr fein abgestufte Spiel der spanischen Musiker als ein sinnenfrohes und volkstanzhuldigendes Opus. In einer der Pflanzenhallen genossen, erfreut nun ein homogener, runder, weniger spröder Klang die Sinne. Peter Buske

Peter Buske

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