Kultur: Prioritäten setzen?
Parteiübergreifende Podiumsdiskussion zur Kulturfinanzierung
Stand:
Parteiübergreifende Podiumsdiskussion zur Kulturfinanzierung Schliddert Potsdams Kulturarbeit in die Katastrophe? In Sorge um weitere Zuwendungskürzungen für die Kultureinrichtungen der Stadt lud der Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen am Mittwochabend zu einer Podiumsdiskussion ins Waschhaus ein, um parteiübergreifend nach alternativen Finanzierungsmodellen zu suchen und gemeinsam zu überlegen, wie öffentliche Zuschüsse gesichert und privates Engagement mobilisiert werden können. Saskia Hüneke, Initiatorin der nicht grundlos im Wahlkampf platzierten Gesprächsrunde, umriss das gegenwärtige Dilemma: Seit zehn Jahren sinke der Anteil der städtischen Ausgaben für Kunst und Kultur beständig und sei jetzt bei 8,5 Prozent des Haushalts angekommen. Nicht allein die geringeren Zuschüsse, sondern vor allem die alljährlich verhängten Haushaltssperren trieben die an Verträge gebundenen Kultureinrichtungen stets in wirtschaftliche Notlagen. Mit extrem hohem Engagement und an die Grenzen gehender Selbstausbeutung werde dennoch versucht, Vielfalt und Niveau des Angebots zu halten. Während sich Potsdam als Europäische Kulturhauptstadt bewerbe, fürchten die Kultureinrichtungen der Stadt um ihre Existenz und die Qualität ihrer Arbeit. Potsdams Finanzbeigeordneter Burkhard Exner bestätigte, dass bei einem geplanten strukturellen Defizit von 22,4 Millionen Euro und der sich verschlechternden Haushaltslage auch im Kulturbereich weiter gespart werden müsse. Das Land, so Hajo Cornel vom Kulturministerium, könne die Ausfälle nicht kompensieren. Andererseits entstünde ein verfassungsrechtlicher Konflikt, wenn die Kommunen nicht in die Lage versetzt würden, ihre freiwilligen Leistungen zu erbringen. Angelika Krüger-Leißner, SPD-Abgeordnete und Mitglied des Kulturauschusses im Bundestag, hofft auf eine Entlastung der Kommunen durch die Gemeindefinanzreform. Mehr noch erwarte sie von einer besseren Ausnutzung des novellierten Stiftungsrechts. Das dafür erforderliche Sponsoring sieht Dr. Wieland Niekisch, Kreisvorsitzender der CDU, angesichts der Konjunkturflaute in weiter Ferne. Auch der in die Runde eingeladene Rechtsanwalt und Spezialist für Stiftungsfragen, Prof. Jan Hegemann, dämpfte die zu hohen Erwartungen an veränderte Rechtsformen für Kultureinrichtungen. GmbH und Stiftungen ermöglichten zwar eine Ablösung der Haushaltskameralistik durch kaufmännische Buchführung und damit mehr Handlungsfreiheit und Flexibilität, das aber reiche nicht aus. Wichtig sei ein starkes bürgerschaftliches Engagement, das auf die Politik durchschlage. Kultur ist Teil der Lebenswirklichkeit einer Stadt. Die Kommune müsse sich darüber verständigen, was sie sich leisten wolle. Planungssicherheit sei dann nicht in erster Linie für die Kultureinrichtung, sondern gegenüber den Bürgern herzustellen. Hegemann hält es für sinnvoll, feste Zuwendungsverträge über fünf Jahre abzuschließen und dann erneut zu überlegen. Kultursicherheit auf Ewigkeit sehe er nicht. „Man muss entscheiden, wohinter man als Kommune steht, dann gibt es auch privates Engagement.“ Genau dieser öffentliche Diskurs aber fehle in der Stadt, kritisierte Prof. Hermann Voesgen von der Fachhochschule Potsdam, der als Moderator der Runde vergeblich versuchte, die Diskussion von den finanziellen auf inhaltliche Fragen der Kulturpolitik zu lenken. Saskia Hüneke befürchtet, das eine neuerliche Prioritätendiskussion wieder nur zur Schließung von Einrichtungen führen werde, die, wie die Abwicklung der Brandenburgischen Philharmonie zeigte, keine tatsächliche Entlastung bringe. Sie halte mehr davon, sich von der Methode der Kofinanzierungen zu verabschieden. Einrichtungen sollten entweder vom Bund, vom Land oder aber von der Kommune gefördert werden. Durch die komplizierten Mischfinanzierungen sei die Kommune nicht wirklich frei in ihren Entscheidungen. Burkhard Exner hingegen findet es unerlässlich, Prioritäten zu setzen. Mit der Entscheidung, den Kulturstandort Schiffbauergasse auszubauen, sei dies ja bereits geschehen. Er bezweifle jedoch, eine Planungssicherheit für die Kultureinrichtungen herstellen zu können, solange dies für den Haushalt der Kommune insgesamt nicht möglich sei. Spät erst wurde das Publikum in die Diskussion miteinbezogen, sodass eine inhaltliche Auseinandersetzung darüber, was die Bürger kulturell wollen und erwarten, nicht mehr zustande kam. Antje Horn-Conrad
Antje Horn-Conrad
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