Kultur: Provozierend
Matthias Matussek und ein katholisches Abenteuer
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Wenn sie Gutes vollbringt, ist die Kirche für Matthias Matussek immer katholisch. Und der „Spiegel“-Autor outet sich nun als Katholik. Bravo, Respekt für den mutigen Schreiberling, mag man ihm zurufen. Denn als Katholik wird man heute in der Regel ausgelacht, so Matussek in seinem neuen Buch „Das katholische Abenteuer. Eine Provokation“. Am Donnerstag wird er dazu in der Villa Quandt ein Bekenntnis ablegen.
Gemobbt werde der Katholik heute zu unrecht versteht sich, denn es sei wieder Zeit sich auf moralische Grundwerte zu besinnen: „Eines habe ich immer gespürt: wie wesentlich der Katholizismus für die Entrechteten war“, schreibt Matussek und führt in seinen 24 Kapiteln Beispiele an: Er äußert sich zur Politik, über seine katholische Kindheit, das Feuilleton, Thilo Sarrazin, flicht in seine Kapitel Interviews ein mit Martin Walser und Harald Schmidt. Oder er holt ein Porträt des brasilianischen Pianisten Joao Carlos Martins hervor, dessen Leidensgeschichte er mit der von Hiob aus dem Alten Testament vergleicht. “
„Ich bin reflexmäßig auf der Seite der Unterdrückten“, pocht Matussek weiter und verteilt kleine Seitenhiebe nach links und rechts. Wer sind die laschen Langweiler und Konformisten des gesellschaftlichen Reihentanzes, die heiraten, sich mit dem Segen Gottes wieder scheiden lassen und sich betrinken? Alles Protestanten. Religion, wo immer man ihr etwas Gutes abgewinnen kann, bleibt für Matussek der Katholizismus: „Wo er doch eine der fröhlichsten, der kunstsinnigsten und sinnenfreudigsten Religionen ist, die es gibt...“.
Herr Matussek lebte für den Spiegel einige Zeit in Brasilien und auch dorthin hat die koloniale Frömmigkeit die Zivilisation gebracht. Die Wohltäter der Armen in den Slums von Rio de Janeiro? Alles Katholiken. Schwamm drüber, dass der Katholizismus als Staatsreligion in eben diesem Land, minderjährige Mütter ohne Bildungsperspektiven hervorbringt und bis heute gefährliche, illegale, teuere Abtreibungen in Monaten jenseits von gut und Böse praktiziert – weil der Papst seine Meinung zum Thema Verhütung und Abtreibung nicht ändern möchte. Dagegen ist auch Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff noch nicht angekommen. Aber Matussek möchte seinen Glauben aufrichten, nicht kritisieren, deswegen werden Traditionen auch gelobt, aber Geschichte möglichst ausgespart. Sei es nicht auch unangemessen eine ganze Institution auf eine „winzige pädophile Minderheit unter den Priestern“ zu reduzieren?
Aber warum, fragt man sich, legt Matthias Matussek gerade jetzt sein Zeugnis ab? „Weil mein Verein angegriffen wird“, erklärt er. Inniges Gottvertrauen oder persönliche Erleuchtung? Nein, neben der Gewohnheit, wohl die Lust an der Provokation: „Ja, es gibt für einen debattenfreudigen Journalisten in diesen Tagen keine sportlichere Rolle als die des Katholiken“, das scheint auch der Kern seines Bekenntnisses zu sein. Von einem persönlichen religiösen Moment, der sein Gottesverhältnis beschreibt, erfährt man nichts. Zweimal täglich beten und einmal im Monat zur Beichte („Das kann doch nicht so schwer sein, Leute!“), darin liegt der Reiz, und ganz offensichtlich im Ablass-System. Herr Matussek schätzt sein erleichtertes Gewissen sehr, wie man in Kapitel „Das katholische Abenteuer“ nachlesen kann. Matussek bleibt konservativ. Ist das eine Provokation? Eigentlich nicht. Undine Zimmer
Am morgigen Donnerstag, 20 Uhr, in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47. Eintritt 8, ermäßigt 6 Euro
, ine Zimmer
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