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Kultur: Prügel im Paradies

Ein neues Kunstbuch von Sibylle Leifer im Potsdamer Wolbern Verlag

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Null Grad, Nebel und Nieselregen. Kein Wetter das. Auch nicht für Katzen. Mögen sie noch so freiheitsliebend sein. Wer säße jetzt nicht lieber hinterm Ofen, zusammengerollt, behaglich schnurrend. So wie der fette Angorakater, der seinem menschlichen Mitbewohner, dem französischen Romancier Émile Zola, einst an einem Winterabend am Kamin von einem abenteuerlichen Ausflug erzählte. Neugier und der süße Duft der Freiheit trieb ihn in jungen Jahren fort aus dem trauten Heim, hinaus auf die Dächer zu den herrenlosen Katzen, die zwar unabhängig lebten, aber auch nach den nicht immer appetitlichen Gesetzen der Straße. Zola schrieb die Geschichte seines Katers „Von der Suche nach dem Paradies“ auf, so dass uns ihr Doppelsinn bis heute zu denken gibt.

Die Malerin Sibylle Leifer hat sich davon inspirieren lassen und ein Bilderbuch für Erwachsene geschaffen, das gerade im Potsdamer Wolbern Verlag (22,80 €) erschienen ist. Sie wählte dafür eine der ältesten Vervielfältigungstechniken, den Holzschnitt, der mit seinen kantigen Zügen und einer im wahrsten Sinne des Wortes schnittigen Schrift jeder Gefahr von Kuscheligkeit von vornherein aus dem Wege geht. Die Bilder illustrieren nicht, sondern erzählen die Geschichte selbst. Die Schrift wird zum gestalterischen Element, das mal im Mittelpunkt, mal am Rande steht. Ihre Größe und Kantigkeit erschweren mitunter das Lesen. Aber vielleicht verlangsamen sie es auch, um so behutsam zum längeren Verweilen und genaueren Betrachten der vielen Details zu zwingen. Sparsam koloriert Sibylle Leifer die schwarzen Drucke dort, wo sie die Stimmungslage des jungen Katers hervorheben will. Ein leuchtendes Goldgelb über den Dächern der Stadt verheißt am Beginn des Abenteuers eine verlockende Zukunft. Schmutziges Graublau hingegen dominiert, als dem Ausreißer auf nächtlichen Wegen die Gefahr droht, vom Katzenjäger gefangen zu werden. Gequält von Hunger und Angst geht die Fantasie mit dem Kater durch und er sieht sich bereits aufgespießt über lodernder Flamme brutzeln. Nein, im Müll nach Essbarem zu suchen und ständig sein Fell zu riskieren, das ist nichts für ihn und er läuft reumütig nach Haus. Dort wartet zwar eine Tracht Prügel auf ihn, aber auch ein saftiges Stück Fleisch – das „wahre Paradies“, von Sibylle Leifer lachsfarben ausgemalt.

„Wissen Sie“, schließt der Kater seine Erzählung, „das wirkliche Glück ist es, in einem Zimmer, in dem Fleisch liegt, eingesperrt und verprügelt zu werden.“ Aber das gilt ja, wie uns Zola versichert, nur für Katzen!Antje Horn-Conrad

Antje Horn-Conrad

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