
© promo
Von Lene Zade: Punk auf Speed
Panteón Rococó rockten das Waschhaus
Stand:
Es dauerte keine zwei Minuten. Kaum hatten die elf Mannen von Panteón Rococó die Bühne geentert und ihre Instrumente in die Hände genommen, fing der Saal an zu tanzen. Und hörte über zwei Stunden nicht mehr auf. Dem furiosen Mix aus Ska, Salsa und einem rasanten Punk im Speedmodus mochte keiner im luftig gefüllten Waschhaus widerstehen. Wer sich eben noch eine eisgekühlte Caipirinha an der Theke geholt hatte, sah sich gezwungen, auf Ex auszutrinken, um dem unbedingten Drang des Körpers, rhythmisch in die Luft zu springen, folgen zu können. Unmöglich den Vorgaben der drei Schlagzeuger, die von ebenso vielen Bläsern unterstützt wurden, nicht nachzukommen. Die Aufforderung „Seguir Bailando!“ (weitertanzen) von Sänger Luis Román Ibarra, alias Dr. Shenka, war da nur eine rhetorische.
Stilsicher wechseln die Mexikaner die musikalischen Schubladen mitunter in so atemberaubender Schnelligkeit, dass hier und da im Publikum eine Bierflasche vor Schreck zu Boden fiel. Die handwerkliche Versiertheit war gepaart mit unbändiger Spielfreude, die allein beim Zuschauen zum fröhlichen Grinsen verführte. Die üblichen Ärgernisse bei Konzerten entfielen. Hier stand keiner klotzig rum und verdeckte die Sicht, niemand störte durch dummes Gerede den Hörgenuss. Das wäre auch nicht möglich gewesen: Panteón Rococó waren lauter als jedes enervierende Handyklingeln. Eine Lautstärke, die wohltat und alles und jeden in Schwingungen versetzte – ohne negative Folgeerscheinungen.
Dass es den Mexikanern dabei um mehr als die ultimative Party geht, ließen die roten Sterne auf einigen Band-Shirts und die hochgestreckte Faust im Bandlogo erahnen, das den Bühnenhintergrund ganz ausfüllte. Auch ohne Spanischkenntnisse war den Zwischenansagen des Sängers der politische Hintergrund von Panteón Rococó zu entnehmen. Wie auch Manu Chao und Mano Negra gehört die Band zu den erklärten Unterstützern der Zapatisten, einer Guerillaorganisation, die für mehr Rechte der indigenen Bevölkerung in Mexiko kämpft. Gutgelaunt und mehrstimmig spielen sie gegen die triste realidad an, gegen die traurige Wirklichkeit in korrumpierten Zuständen, die nur formal Demokratien heißen.
Panteón Rococó belassen es im Konzert bei kurzen Statements. Um sich zu informieren gibt es ja schließlich noch andere Medien und die Booklets der CDs. Aussagekräftiger sind da ihre Texte, denen live zu folgen fast unmöglich ist. Wenn sie diese mit der Behäbigkeit von Folkies vortrügen, wäre das anders, aber dann fehlten die Energie und der Spass. Stattdessen singt und rezitiert der Sänger durch die Nacht, als wolle er sich immer selbst überholen. Mühelos ziehen die Musiker mit, machen jeden, auch noch so abrupten Tempi- und Stilwechsel mit, so dass das Publikum keinen Augenblick in seinen Bewegungen innehalten muss.
Am Ende, nach etlichen Zugaben, ist der Sänger nicht mehr zu sehen. Er steht vor der Bühne und tanzt mit dem Publikum, während immer mehr Besucher die Bühne zur Tanzfläche machen und sich unter die Musiker mischen.
Lene Zade
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: