
© Friso Gentsch/dpa
"Angst macht keinen Lärm" im Waschhaus Potsdam: Punkrock-Wanderzirkus
Festival „Angst macht keinen Lärm“ am kommenden Samstag im Waschhaus.
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Ein Punkrock-Wanderzirkus, so wird das Festival „Angst macht keinen Lärm“ genannt – und hat sich mit dieser Attitüde bemerkenswert gut herumgesprochen. Am kommenden Samstag findet das Festival mit dem markanten Namen im Waschhaus in Potsdam statt – die dritte Station im dritten Jahr. Das erste Festival unter diesem Namen gab es 2014 im Exhaus in Trier, im September des vergangenen Jahres ging es vom absoluten Westen der Republik in den Osten: und zwar nach Leipzig ins Conne Island. Zwei namhafte Konzertschuppen immerhin, denen in diesem Jahr ein weiterer folgen wird.
Wieder mit dabei sind Turbostaat und Pascow, auf deren Mist die Idee zu diesem Wanderzirkus gewachsen ist. Ganz am Anfang stand nämlich eine Geburtstagsfeier: Die Flensburger Band Turbostaat wollte 1999 ihr 15-jähriges Bestehen feiern und befreundete Bands zu einer Art Ständchen spielen lassen. Ein Erfolg ohnehin, und damit schnell die Entstehung einer Konzertreihe. Wer noch mit an Bord ist, das wurde lange wie ein Geheimnis gehütet. Aber Fans von Turbostaat kamen bei den Konzerten voll auf ihre Kosten: Die Band ließ sich nämlich nicht lumpen und spielte kurzerhand auf ihrer Jubiläumstour alle Songs, die je veröffentlicht wurden. Das bedeutete 63 Songs, die an zwei aufeinanderfolgenden Abenden gespielt wurden. Nun ja, mittlerweile ist es nur noch ein Abend, und alle 63 Songs werden da kaum hineinpassen. Aber wer Turbostaat kennt, schätzt jeden einzelnen Song.
Immerhin hat es die Punkkapelle, die eigentlich aus der norddeutschen Provinzstadt Husum stammt, mit kopflastigem, intelligentem Punkrock in zahlreiche Herzen geschafft. Ganz am Anfang stand mit Gassenhauern wie „Blau an der Küste“ noch der Spaß im Vordergrund, aber Erfolg will behauptet sein. Der stellt sich durch die gehörige Portion Indierock ein, den die Band an den rauen Punk anknüpft. Das funktioniert so gut, dass die Berliner Beatsteaks irgendwann auf sie aufmerksam werden – eine Freundschaft entsteht, und Turbostaat kommen beim selben Label Warner Music unter. Dort erfolgte Anfang des Jahres auch der letzte Output der Band: das Album „Abalonia“, fast schon ein Konzeptalbum.
Und obwohl es Pascow sogar ein Jahr länger als Turbostaat gibt, ist die Band immer noch ein wenig im Schatten der Norddeutschen. Das hat nichts mit Qualität zu tun – sondern allenfalls mit Schicksal. Denn die Lyrik der Band ist ebenfalls weit entfernt von plattem Anarchie-und- Dosenbier-Gebrüll. Das führt natürlich zu tiefsinnigen Albentiteln wie „Richard Nixon Discopistole“ oder „Nächster Halt gefliester Boden“ – und steht für die Bodenständigkeit guter Texter, die nicht hinter halbherzigem Englisch verschanzt werden müssen. Politisch bleibt die Band aber durchaus konsequent: mit einem Lettre Noir an die Südtiroler Band Frei.Wild etwa, die sich durch ihren konservativen Patriotismus zu einem Hassobjekt der deutschsprachigen Musikszene entwickelt hat.
Diese beiden Bands sind also gesetzt, der Support besteht aus Combos, die von Turbostaat und Pascow so gut gefunden werden, dass sie mit auf die Bühne verpflichtet wurden. Freiburg etwa: „Unholy Emopunk“ beschreibt die Band ihren Sound und genauso klingt sie auch. Breite Gitarren und aggressiv-klagender Gesang sind das Markenzeichen der Band, die sich ganz in der Tradition der offenbar untergegangenen Antitainment befindet. Ein Geheimtipp sind die Gütersloher bestimmt nicht mehr lange, auch wenn sie jetzt noch die kleinen Clubs bespielen – das Potenzial ist enorm. Da sind Die Nerven schon etwas weiter: Inoffiziell wird die Stuttgarter Noise-Rockband als eine der besten Liveacts gehandelt, die derzeit auf den hiesigen Bühnen zu sehen ist. Vielleicht liegt es an der dunklen Attitüde: Irgendwo zwischen New Wave und fast schon metallischen Gitarren hat die Band einen eigenwilligen Stil entwickelt, der gut zu fesseln weiß. Und Love A spielten mit ihrem Postpunk-Exzess bereits im April vergangenen Jahres im Waschhaus – für die Band wird es also ein Wiedersehen. Oliver Dietrich
„Angst macht keinen Lärm“ am Samstag, 20. August, ab 15.30 Uhr im Waschhaus, Schiffbauergasse. Karten ab 28 Euro
Oliver Dietrich
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