Kultur: Putzmunter und pointiert
Schlosskonzert der Kammerakademie Potsdam im Neuen Palais
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„Merry Christmas“ - wieder eine jener anglizistischen Unsitten, mit der sich Weltläufigkeit manifestieren will? Doch als Titel für die beiden Schlosskonzerte der Kammerakademie Potsdam im friderizianischen Kuscheltheater des Neuen Palais erwies er sich als zutreffend, denn im ersten Teil erklangen Werke der Urengländer John Dowland (1563-1626) und Henry Purcell (1659-1695), während nach der Pause mit Georg Friedrich Händel ein Deutscher mit britischem Migrationshintergrund in Erscheinung trat. Wolfgang Amadeus Mozart und Johann Sebastian Bach vervollständigten das eher weihnachtsuntypische Klangangebot. Die Musica di natale eines Manfredini oder Corelli blieb diesmal außen vor. Sollten dafür die melancholischen „Lacrymae“-Pavanen aus Dowlandscher Feder für die Freude über die Geburt Jesu einstehen?!
Die drei, überaus getragenen Schreittänze waren nicht jedermanns Sache, dagegen kamen die Entdecker von Feinheiten restlos auf ihre Kosten. Diesen vermeintlich gleichförmigen Variationen über schwermütige Stimmungen erspürten die Streicher eine Fülle von klangfarblichen Details, gewannen ihnen sogar einen Hauch von Leidenschaft ab. Differenziertes Musizieren bestimmte auch die Wiedergaben von Purcells klang- und tonsatzköstlicher Suite aus „The Fairy Queen“ und seiner g-Moll-Chaconne. Hier wie dort obwaltete Patrick Ayrton vom Cembalo aus seines zeichengeberischen Amtes, stachelte die Kammerakademisten zu putzmunterem und pointiertem Spiel an. Akzentuiert erklang zur klangtrockenen Paukenunterstützung das Prelude, elegant und straff artikuliert eine Hornpipe, zu Schellengeläut das Rondeau Man achtete auf historische Spielmanieren, suchte das Charakteristische der Tänze prägnant zu treffen. Man spielte rasant, wo erforderlich; phrasierte mit jener Intensität, die einen unwillkürlich aufhorchen ließ. So konnte die Musik atmen, graziös schreiten, gleichsam auf Spitze tanzen. Ein hinreißend lebendiger, vor Spannung nur so vibrierender Rundgang durch das Reich der Elfenkönigin.
Winterlich erschien es nicht. Diese Illusion zu suggerieren, blieb einer ständigen Projektion vorbehalten, die das Neue Palais in verschneiter Parklandschaft zeigte. Virtuelles „Merry Christmas“ stellte sich auch nicht bei Händels Sonata à 5 in B-Dur ein, die sich als ein veritables Violinkonzert entpuppte und von Konzertmeisterin Muriel Cantoreggi mit blitzsauberer Tongebung in hinreißend-rasanter Virtuosenmanier gespielt wurde. Zwischen den schnellen Ecksätzen sorgte ein seufzeraffektreicher Mittelsatz für Entspannung.
Dass Cembali älterer Provenienz auf der Innenseite des Deckels mit farbenbunter Landschaftsmalerei prunken, vergessen die meisten modernen Nachbauten. Genüsslich klappte Patrick Ayrton den seines Instruments auf, sodass sich die Sinne an einer antikisch-idealen Flusslandschaft laben konnten, währenddessen er Mozarts D-Dur-Cembalokonzert KV 107/1 (nach Johann Christian Bach) klangperlend, brillant und schwungvoll tastatierte. Graziös schritt das Andante vorüber, in dessen Kadenz er mit britischem Understatement eine Weihnachtsmelodie einwob. An den Kenner wandten sich Bachs für Orgel bearbeitete (von wem?) d-Moll-Canzona BWV 588 und D-Dur-Allabreve BWV 589, deren strenge kontrapunktische Strukturen mit klanglicher Finesse ausgebreitet waren. Ein Geschenk ans Mitdenken, weniger zum Miterleben. Die angesagte „Zugabe zum Mitsingen“ entpuppte sich als moderne, witzige und angejazzte „Jingle Bells“-Version. Köstlich.Peter Buske
Peter Buske
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