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Die Galerie Ruhnke zeigt Werke konkreter Kunst: Quadrate und Bügelfalten

Es bewegt sich, nicht immer, aber manchmal. Ein schwacher Windhauch genügt, um Skulpturen von Reinhard Haverkamp im öffentlichen Raum zum Schwingen zu bringen.

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Es bewegt sich, nicht immer, aber manchmal. Ein schwacher Windhauch genügt, um Skulpturen von Reinhard Haverkamp im öffentlichen Raum zum Schwingen zu bringen. In der Galerie Ruhnke, wo der Künstler nun einige seiner kleineren Objekte zeigt, ist es windstill. Aber der schwerelose Impetus der Objekte vermittelt sich auch über den Anblick der feingliedrigen Gebilde. Zumeist aus Stahl gefertigt, dienen die Skulpturen dem reinen Wohlgefallen, stehen für sich, wollen nichts erzählen, buhlen nicht um Aufmerksamkeit.

„Konkret und Kinetisch“ ist der Titel und das Programm der Ausstellung. Der Titel ist Konzept: Die Bilder Josef Linschingers sind der konkreten Kunst verhaftet, ebenso Reinhard Haverkamps Skulpturen, die den Blick des Betrachters mit ihren luftigen Arrangements fesseln.

Jede Bedeutung wollte die konkrete Kunst aus dem Bild und dem Objekt verbannen. Die Narration hatte erst einmal ausgedient, als Theo van Doesburg 1930 den Begriff erfand. Fortan sollte die Kunst dem reinen Geist entspringen, allenfalls die Mathematik war als Hilfswissenschaft geduldet. Es war ein Zeitalter der künstlerischen Aufbrüche und der sich rasch abwechselnden Avantgarden. Als dann der Faschismus nicht nur über Deutschland hereinbrach, feierte die Propagandakunst mit ihren Heldenerzählungen fröhliche Urständ und währte in den sozialistischen Staaten noch lange fort.

Mittlerweile ist die konkrete Kunst eine unter vielen Bildsprachen. Aber eine, die immer wieder neue Formulierungsmöglichkeiten findet. Während Reinhard Haverkamp im Raum die Möglichkeiten des geometrischen Moments in der Kunst dekliniert, buchstabiert Josef Linschinger in der zweidimensionalen Fläche die verschiedenen Anschauungen des zweckfreien verwendeten Alphabetes. Denn oft sind es Buchstaben, die Linschinger zu Bildern anordnet, zum „Sudoku“ oder zur „Kreiszahl“. Auch der Strichcode erhält eine Referenz, wenn sich senkrechte Balken über einen luftigen Wolkenhimmel lagern. Der Buchstabe ist für Linschinger nicht nur Zeichen, sondern auch Forschungsobjekt. In seiner „Poesie der Vokale“ verfolgt er die Geschichte und Entstehung von Schriftzeichen und Vokalen in Japan und Europa. Die Erkenntnis, dass es letztlich Gesänge waren, die mit Schriftzeichen fixiert werden sollten und zur Erfindung von Vokalen führten, ist der Ausgangspunkt einer Serie von sorgsam arrangierten Computergrafiken.

Mit farbigen Quadraten versucht Linschinger dem reinen Farbklang auf die Spur zu kommen. Viele kleine Flächen fügen sich in einem bunten Muster zu einem vibrierenden Gesamtklang. Dass auch die konkrete Kunst nicht immer mit kanonischem Ernst daherkommen muss, zeigt sich, wenn Reinhard Haverkamp mit ironischem Hintersinn seine „Bügelfalte“ inszeniert. Da knäulen sich einige Kleiderbügel zusammen mit Fahrradschläuchen zu einem unentwirrbaren Klumpen. Der allerdings thront erhaben auf einem Sockel und ist so unschwer als Kunstobjekt erkennbar. Die Abwesenheit jeder Didaktik und die reine Freude am leichthändig wirkenden Arrangement vermitteln sich auch bei den aus Holz gefertigten Drehflügeln, die als fragile Gebilde auf dem Boden des Ausstellungsraumes lagern. Mit Objekten wie dem Bügel-Flügel beweist Haverkamp, dass sich große Kunst auch im kleinen Detail und im pfiffigen Gedanken finden kann. 

Richard Rabensaat

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