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Kultur: Raffinierte Klangabmischungen

Orgelsommer-Konzert mit Dirk S. Donker in der Friedenskirche

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Eine Stelle, die bei Musikern in ganz Deutschland begehrt ist, hat Dietrich Buxtehude (1637-1707) auch seinem jungen Bewunderer Johann Sebastian Bach nach viermonatigem „Meisterklassen“-Besuch angetragen: sein Nachfolger an St. Marien in Lübeck zu werden. Der Preis für die Stelle: Er müsse des Lehrers dreißigjährige, wenig attraktive Tochter ehelichen. Ein Koppelgeschäft?! Bach reist umgehend ab. Nicht ohne zuvor unter Buxtehudescher Anleitung in die Geheimnisse des Chorals, Pfeiler der lutherischen Liturgie, eingedrungen zu sein. Doch auch von Georg Böhm (1661-1733) lernt Johann Sebastian eine Menge.

Davon klang-„erzählt“ der niederländische Organist Dirk S. Donker in seinem Konzert über die „Familie Bach“, das er im Rahmen des Internationalen Orgelsommers und der Bachtage Potsdam an der Woehl-Orgel in der Friedenskirche gab.Bereits die ersten Töne von Buxtehudes Praeludium, Fuge und Ciacona C-Dur lassen durch ihre überaus farbige Registrierung aufhorchen. Dazu gesellt sich ein Spiel voller Lebendigkeit und Phantasie, das den Ohren fast die Fülle eines Orchesters herauf beschwört. Auf raffinierte Weise mischt er die Stimmen von Zungen- und Lippenpfeifen, sodass der Klangpracht fast kein Ende scheint. Natürlich ermöglicht durch einen Tonsatz, der einst schon Bach begeistert hatte. Dann der abrupte Stimmungswechsel. Vornehmlich gedeckte Stimmen wählt der Organist für den verinnerlichten Vortrag des schlichten Böhm-Chorals „Vater unser im Himmelreich“.

Wie Bach diese Form sich zu eigen gemacht hat, führt sich in drei Choralbearbeitung über „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“ beispielgebend vor. Die Variante BWV 709 erklingt mit weich getönten Stimmen und starkem Tremulanten herrlich legato; das Trio BWV 655 in Diskantlage, stakkatogeprägt und zügig, während BWV 726 den Choral festlich im vollen Orgelwerk und mit schnarrenden Farbtupfern (per Pedal-„Trompete“) ertönen lässt. Ähnlich überlegt und überlegen spielt Dirk S. Donker die Choralbearbeitung „Christ, unser Herr, zum Jordan kam“. Nicht minder souverän artikuliert und phrasiert er Praeludium und Fuge a-Moll BWV 543, das er unter der Vorherrschaft der Principalstimmen lebendig und glanzvoll vorträgt. Modulationen erscheinen wie das unentwegte Hin- und Herwogen von Klangwellen. Von seinem strukturerhellenden Spiel geht starke Faszination aus.

Aus der „Familie Bach“ tritt uns Sohn Carl Philipp Emanuel mit der Sonata VI a-Moll entgegen, deren Tonfolgen Dirk S. Donker in den Ecksätzen erstaunlich kurz und straff hält. Die Akkordblöcke scheinen wie durch Girlanden miteinander verbunden zu sein. Zur Gefühlsverstärkung des Adagio zieht er weiche Flötenregister und den starken Tremulanten. In der Fuge g-Moll von Sohn Wilhelm Friedemann ist die (Fugen-)Strenge des Vaters noch allgegenwärtig. Ganz im Gegensatz zum Bach-Schüler Johann Ludwig Krebs, von dem der Lehrer behauptete, er sei „der einzige Krebs in meinem Bache“. Seine galante und klangsinnliche „Fantasia à giusto italiano“ spielt Dirk S. Donker schwebungsreich in den raffiniertesten Klangabmischungen. Diesem puren Wohllaut folgt abschließend geradezu jählings Johann Sebastian Bachs C-Dur-Toccata BWV 566. Majestätisch braust sie im vollen Orgelwerk daher. Wie der Organist die Pedalattacke ausführt, die abschließende Fuge gleichsam hinstanzt, das strahlende C-Dur richtig jubeln lässt: all das setzt dem Programm wahrlich seinen krönenden Abschluss.

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