Kultur: Raritätenreiche Lobpreisungen
Kammerchor Cantus Lübeck beim „Sommermusik“-Finale in der Friedenskirche
Stand:
Die Kälte hat sich schneller als erwartet ins Gemäuer der Friedenskirche eingenistet, lässt die fünfte und letzte „Sommermusik“ zu einer körperlich ziemlich frierenden Angelegenheit werden. Doch mit seinen seelenerwärmenden Intentionen, die sich in einem anspruchsvollen Programm niederschlagen, sucht der 1992 ins Leben gerufene Kammerchor Cantus Lübeck unter seinem Gründer und Leiter Heiner Arden die Verweildauer im Gotteshaus erträglicher zu machen. Für ihr Gastspiel sind Raritäten für Chor und Orgel angekündigt. Um deren sicheres Zusammenwirken zu garantieren, ist die Sangesgemeinschaft im Emporenbereich podesterhöht aufgestellt. Und so muss das Publikum zwangsläufig mit dem Rücken zum Altar sitzen.
A cappella erklingt eingangs der Psalm 117 „Laudate Dominum“ in der Vertonung von Greg Knauf (20. Jh.). Auffallend, wie das „Lobet“ (den Herrn) durch alle Stimmen wandert. Es hört sich wie gleichmäßiges, sonores Glockenschwingen an. Des Herren Lobpreis gerät sehr verhalten, eher mit innerlichem Leuchten. Einige Stimmen dringen solistisch aus der gleichsam schwebenden Klangfläche hervor.
Danach gibt es für den Beginn von Benjamin Brittens Festival-Kantate „Rejoice in the Lamb“ eine akkordische, wie hingetupft wirkende Unterstützung der psalmodierend vorgetragenen 1. Strophe „Freut euch in Gott“ durch die von Jan Dolezel gespielten Woehl-Orgel. Beim Mitlesen des englischen Originaltextes und seiner deutschen Translation wird deutlich, dass es sich hierbei nicht nur um eine verklärende Gottesfreude handelt – auch Kater und Maus, Blumen und die Musik tragen zur Heiterkeit der Seele bei. Da geht es stellenweise tokkatisch sehr beschwingt zu. Die vier Solo-„Einlagen“ werden von Chorsängern angestimmt, die – bis auf den sprechsingenden Bass – auf eine gesangstechnische Grundausbildung verweisen dürften. Zur Begleitung zieht Jan Dolezel diverse Soloregister in Diskantlage. Bemerkenswert, dass beide Hallelujahs sehr verhalten erklingen, letzteres besinnlich im Leisen verklingt. Fazit: die auch namentlich genannten Himmelsinstrumente wie Harfe, Flöte, Zymbal und Trompete vermögen aufgeregte Gemüter zu beruhigen.
Konzertdramaturgisch perfekt passend, schließt sich „Prélude, Arioso et Fughette sur le nom de BACH“ von Arthur Honegger (1892-1955) an. Introvertiert geben sich die beiden ersten Teile, denen eine trauermarschähnliche Überleitung zum letzten folgt. Pedalgewichtig, anschwellend, wie aus Fesseln befreit meditiert es über Bach, lobpreist ihn zuletzt hymnisch im vollen Orgelwerk.
Dann ist wieder der Chor an der Reihe: mit Bach original. Der Vortrag seiner Motette „Jesu, meine Freude“ BWV 227 wird von der Truhenorgel begleitet. Anders als bei Britten wirkt der Chorklang nun ziemlich spröde, sind gesangliche Anstrengungen unüberhörbar, und auch an Inspiration mangelt es merklich. Kurzum: eine zerfasernde, langweilige Wiedergabe, bei der die „Trauergeister“ nicht weichen, sondern die Oberhand über den beschworenen „Freudenmeister“ behalten.
Bohuslav Martinus orgelsolistische „Vigilia“, als introvertiertes Nachtwachen auf der großen Orgel gespielt, leitet zu Zoltán Kodálys originellen „Laudes Organi“ über, bei der längere Orgelpassagen sich mit gesungenen Beschreibungen über die Aufgaben eines Organisten abwechseln. Um zu überzeugen, bringe er „mit geübten Fingern die Tonreihe zustande, die einen angenehmen Klang hat.“ Alle Beteiligten bemühten sich darum.Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: