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Kultur: Rätselhaftes

Sakralmusik aus Palermo in der Friedenskirche

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Inmitten des Kirchenschiffs der Friedenskirche erhebt sich ein schwarz beschlagenes Podest, das vom Publikum umsessen wird. Auf ihm stehen zehn schwarz gekleidete Sänger, darunter eine Altistin, und bilden einen Kreis. Alles sehr düster und irgendwie symbolträchtig. Dennoch sehr passend für ein Musikfestspiele-Programm, das am Freitag „Geistliche Gesangstraditionen der Cappella Palatina“ im vollbesetzten Gotteshaus vorstellte. Unter dem Titel „Palermo 1140“ – jenem Jahr, in dem sich der Normannen-König Roger II. in seiner Residenz die Cappella Palatina erbauen lässt – unternimmt das multi-ethnisch besetzte A-capella-Ensemble „Graindelavoix“ den Versuch einer tönenden Wiederfindung, was einst im sizilianischen Schmelztiegel der Völker und Kulturen erfunden worden ist.

Die nahtlose Abfolge von sakralen Gesängen, Koranrezitationen und Marienhymnen in lateinischer, griechischer und arabischer Sprache will byzantinisches mit muslimischem Liturgierepertoire verbinden, innere Spannung erzeugen, thematische Querverbindungen und tonsetzerische Finessen aufzeigen. Wenn man sie denn musikologisch einordnen könnte, textlich verstehen würde. Eine Entdeckungsreise mit Tücken, obwohl das Programmheft mit den Textabdrucken sowohl im Original als auch in deutscher Übersetzung sich alle Mühe gibt, das mitlesende und mithörende Erleben zu befördern.

Allerdings verliert man alsbald den roten Faden, denn die Sänger, so jedenfalls der Eindruck, halten sich leider nicht an den Routenplan. Ihr angerautes, erdiges und kerniges Singen bevorzugt den guttural vibrierenden, psalmodierenden, von ausdrucksundifferenzierter Einförmigkeit geprägten Vortrag, an dem man sich erst gewöhnen muss. Vieles moduliert in engen Tonräumen, was an eine Frühform der Minimal Music erinnert. Wie schön, dass ein Vorsänger mehrfach für Abwechslung innerhalb der chorischen Männermonotonie sorgt. Dennoch: Da man Titel und Text nicht mehr in Beziehung zueinander bringen kann, gibt man sich fortan den faszinierenden Klangmodellen hin. Ohne zu wissen, wofür sie stehen, wovon sie künden.

Wäre ein Gesprächskonzert oder das Einstreuen von Erläuterungen nicht passender gewesen?! So verdienstvoll die Aufforderung zum Eintauchen in eine fremde Kulturwelt auch ist: Bei aller Aufgeschlossenheit bleibt sie dem Zuhörer auch nach dem Konzert noch ziemlich rätselhaft. Peter Buske

Peter Buske

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