Kultur: Rauhbeinig und expressiv
Thees Uhlman begeisterte im Lindenpark
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Er nennt sich ältester Newcomer Deutschlands und entzündet die Lindenparkbühne wie ein Feuerwerk. Jeans, weißes T-Shirt, schwarze Lederjacke, das ist das Markenzeichen des Hamburger Musikers Thees Uhlmann: seine Uniform. Und er hält, was diese verspricht.
Rauhbeinig, rotzig und ungeheuer expressiv zieht er das Sonntagabendpublikum, das sich bis zur Saaltür drängelt, in seinem Bann und dirigiert es wie seinen eigenen großen Chor. Sie lieben ihn und sie kennen ihn, den Sänger der Band Tomte, der sich 2011 für einen kleinen Abstecher auf Solopfaden entschieden hat. Sie halten ihm die Treue und begrüßen ihn wie einen alten Freund, auch wenn sie das, was er solo so macht, vielleicht nicht alles gut finden.
Die Texte der Stücke, die „Das Mädchen von Kasse Zwei“, „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“, „Hier komm ich her“ oder „Sommer in der Stadt“ heißen, drehen sich um das Existenzielle und Zwischenmenschliche, auch um die eigene Vaterschaft oder Fußball, und er schleudert sie seinem Publikum förmlich entgegen, verschwitzt und wie unter Strom.
Zwischen den Songs unterhält er mit Dialogen aus der Vergangenheit, die er mit seinen Eltern oder seiner kleinen Tochter führte und die sich um Rock’n’ Roll, lange Haare oder verlorene Geldstücke drehen. Er gesteht, dass er ein Lehrerkind ist und wer seine Biografie kennt, weiß, dass auch er fast zum Lehrerberuf gegriffen hätte.
Aber irgendwie ist er zu ungeduldig und zu leicht entflammbar, das Auswendiglernen liegt ihm nicht und seine Mitstudenten bleiben ihm fremd. Sein Herz schlägt bereits seit der Jugend für die Musik und irgendwann schmeißt er das Studium, geht ganz in Tomte auf und gründet das Label Grand Hotel van Cleef.
Dieses veröffentlicht auch sein Soloalbum „Thees Uhlmann“, mit dem er gerade auf Tour ist. Begleitet wird er von Gitarren, Bass, Schlagzeug und Keys, die keine Zurückhaltung kennen und unisono rocken – eingängige kurze Bass- und Gitarrenläufe in stetiger Wiederholung, stimmgewaltiges Schlagzeug und Anschläge auf dem Keyboard, die fast nicht zu hören sind bei all’ der Power. Dazu eine beeindruckende Lichtshow und immer wieder Thees Uhlmann, der vollkommen enthemmt auf der Bühne tanzt und immer wieder die Arme hochreißt, der Mundharmonika und Gitarre spielt und weiß, dass sein Publikum textsicher ist und lauter wird, wenn er die eigene Stimme herunter fährt.
Einer seiner jüngsten Fans ist Nils. Die Mutter des 10-Jährigen hatte sich entschieden, ihren Sohn mit Thees Uhlmann in die Welt der Konzerte und des Rock’n’Roll einzuführen. Ein unvergessliches erstes Konzert ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Nils darf auf die Bühne, kriegt eine Cola und mindestens einen so dicken Applaus wie der Sänger selbst, der mit „Das ist Fußball“ alle Sankt Pauli Fans und auch die Babelsberg 03er glücklich macht und nach beinahe zwei Stunden und drei Zugaben schweren Herzens die Bühne verlässt.
Andrea Schneider
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