
© Andreas Klaer
„Home Street Home“: Raus auf die Straße
Am heutigen Samstag findet zum neunten Mal das Elflein-Straßenfest „Home Street Home“ statt
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Wenn man nicht ganz blind durch Potsdam läuft, kann man ihn noch spüren, diesen Hauch der alternativen Kultur, der in den 90er-Jahren noch ein Getöse war: Die Innenstadt ist bunt, auch wenn sich diese quirlige Wildheit gern hinter renovierten Fassaden versteckt – vielleicht auch weil sie es muss. Vielleicht schafft sie es noch nicht zurück auf die Brandenburger Straße, den Boulevard der Bohème. Aber Anfang Juni war sie schon zu spüren: „Bunt statt Mono“ war das Motto des Straßenfestes in der Dortustraße, das vom „Konsens e.V.“ in der Dortustraße 65 veranstaltet wurde. Da konnten die Touristen schon große Augen bekommen: Es gibt sie nämlich noch, die Potsdamer alternative Kultur. Nur die Verstecke sind besser geworden.
Wer das Straßenfest verpasst hat, bekommt am heutigen Samstag noch eine Chance: Da werden sich nämlich dieselben oder ähnlich bunte Menschen nur eine Parallelstraße weiter einfinden, wenn das studentische Kulturzentrum Kuze zum kostenlosen Straßenfest in der Hermann-Elflein-Straße einlädt: „Home Street Home“ ist das Fest überschrieben, das sich zu einem sommerlichen Pflichttermin nicht nur für Potsdamer Studierende entwickelt hat und mittlerweile zum neunten Mal stattfindet. „Home Street Home“, das sind zum Staunen auffordernde Stände, wie man sie auf der Brandenburger Straße niemals finden würde, Open-Air-Kochduelle, kühlende Erdbeer-Slushies – und jede Menge Musik. Und „Home Street Home“ steht auch für den Versuch, die Straße wenigstens an einem Tag im Jahr nicht dem sterilen Hochglanz der Innenstadt preiszugeben.
Und weil das Fest an einem Samstag ist, kann man zunächst beruhigt ausschlafen, zum Fußballspiel gehen oder sich bei Mutti den Bauch vollschlagen: Vor 15 Uhr haben nur die fleißigen Helfer zu tun, die die von parkenden Autos befreite Elfleinstraße in Straßenfeststimmung bringen wollen, indem sie Stände aufbauen, Essen vorbereiten und die Bühne auf die Beine stellen. Aber danach geht es los: Insgesamt sechs Live-Acts gibt es zu sehen, die um das Rahmenprogramm mit Essen, Trinken und Kinderunterhaltung gruppiert werden.
Den Anfang macht die Berliner Prog-Rock-Combo Musgos, das in klassischer Besetzung – Gitarre Bass und Schlagzeug – poetische Atmosphären erschaffen will: Die drei Musiker, die aus Argentinien, Portugal und Venezuela stammen, versprechen ein musikalisches Gemisch aus Art-Punk und Jazz. Im Anschluss heißt es „Friede, Freude, Happy Meal“, was sich die Berliner Rapperin Alice Dee auf die Fahnen geschrieben hat: Hip-Hop für Freaks oder die, die es noch werden wollen. Die Potsdamer Drosek&Gift konnte man ja schon am vergangenen Wochenende im Freiland zum „Streetopia“-Festival erleben, jetzt rückt das Duo mit textintensivem Hip-Hop jenseits aller Klischees noch näher in die Innenstadt – bei Drosek&Gift werden die Beats übrigens noch selbst gemacht. Wie das Jay-cop Toyfel macht, wissen wir nicht, aber immerhin hat der Potsdamer schon seit 1999 seine Hände am Mikrofon, was ihm eine gute Fanbase beschert haben dürfte – auch er war schon am vergangenen Wochenende im Freiland.
Den Headliner macht jedoch keine Band aus Potsdam, sondern Hayelala aus Tel Aviv – damit hat die Indie-Folk-Kapelle, die aus sieben Musikern besteht, sicherlich den weitesten Anreiseweg. Versprochen wird eine Mixtur aus allen Klängen der Welt, die Märchen und Geschichten erzählen will. Auch wenn – wir sind schließlich in Potsdam – spätestens 23 Uhr Ruhe auf der Straße sein muss: Die Party geht auf jeden Fall weiter. Wer will, kann im Anschluss noch im Kuze selbst das Tanzbein schwingen: Und das kann eine lange Nacht werden. Und: Weil sich die Stadt anscheinend in der Sommerpause befindet – kulturell wird am Samstag nämlich eher auf Sparflamme gekocht – lohnt sich diese Option. Mehr gute Gründe für „Home Street Home“ gibt es also gar nicht. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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