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Kultur: Raus aus der Ecke

Das Ensemble Bassiono Amorosa ist mit dem Kontrabass auf neuen Wegen

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Wer das Ensemble Bassiono Amorosa nur gehört und nicht gesehen hat, mag nicht glauben, dass es sich dabei um eine reine Kontrabass-Formation handelt. Soviel Virtuosität, Klangfülle und Raffinesse hat man von den dickbauchigen Holzkästen, die in der Hierarchie der Streichinstrumente an letzter Stelle stehen, nicht erwartet. Obwohl er als „größtes, unhandlichstes und unsolistischstes Instrument“ das tiefe Fundament des Orchesterklangs legt, wird der Kontrabass oft überhört und kaum ernst genommen. Ein Lied davon singt auch der notorisch frustrierte Instrumentalist in Patrick Süßkinds groteskem Monolog „Der Kontrabass“. Kontrabass-Spieler, die nicht selten als etwas behäbig gelten, mussten in früheren Zeiten viele Musikerwitze über sich ergehen lassen. Dabei sind allein die technischen Anforderungen enorm. Um drei Halbtöne zu spielen, braucht man beim Kontrabass gleich eine ganze Handspanne, für eine Tonleiter auf der Länge einer einzigen Saite muss elfmal die Lage gewechselt werden, ganz zu schweigen von der nötigen Druckkraft in den Fingerkuppen.

Einige Kontrabassisten brachten es sogar zu Ruhm, wie der Virtuose Giovanni Bottesini und der später legendäre Dirigent Sergej Koussevitzky, der einige Werke für sein Instrument komponiert hat. Dennoch ist im Konzertsaal auch heute noch selten ein Solo-Konzert für Kontrabass zu hören, obwohl allein in der Klassik 30 Solowerke existieren. Manch ein Komponist wusste die spezifischen Klangfarben sehr malerisch einzusetzen, wie etwa Richard Strauss in der berühmten Kontrabasspassage der Oper Salomé oder Richard Wagner im Vorspiel der „Walküre“, einer der gefürchtetsten, weil schwierigsten Kontrabassstellen überhaupt.

Angesichts all dieser Herausforderungen klingen die rasanten und melodiösen Bässe von Bassiona Amorosa höchst erstaunlich. Vor fünfzehn Jahren wurde das Ensemble von dem seit zwölf Jahren in Potsdam wohnenden Professor Klaus Trumpf gegründet. Der langjährige Solo-Kontrabassist der Staatskapelle Berlin ist Spiritus rector und Leiter dieser weltweit einzigartigen Formation. Gastspiele führten Bassiona Amorosa durch Europa, mehrfach in die USA und bis nach Korea und China. Bisheriger Höhepunkt war ein bejubelter Auftritt im Oktober 2010 im Großen Saal der Carnegie Hall in New York, dem wohl berühmtesten Konzertsaal der Welt. Nicht nur dort gab es stehende Ovationen und mehrere Zugaben für die überraschend klangvollen Kontrabass-Arrangements aus Klassik und Jazz, darunter die Moses-Fantasie von Niccolò Paganini und die Passione amorosa von Giovanni Bottesini. Wer einmal gehört hat, wie Kontrabassist Roman Patkoló die Zigeunerweisen spielt oder den Csárdás von Vittorio Monti, letzteren im fröhlichen Wettstreit mit Geiger Maxim Vengerov, der hält den Kontrabass nicht länger für ein unbewegliches und monotones Wesen.

Alle Mitglieder von Bassiona Amorosa sind aus der Münchner Kontrabassklasse von Klaus Trumpf hervorgegangen. Es ist wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass der gebürtige Görlitzer sein Leben dem Kontrabass gewidmet hat. Zugleich spiegelt sein Werdegang deutsch-deutsche Geschichte. Im Sommer 1989 wurde er, wie auch andere Musiker aus der ehemaligen DDR, zu den Bayreuther Festspielen eingeladen und blieb mit Frau und Töchtern in der Bundesrepublik. Nach 28 Jahren bei der Staatskapelle Berlin musste Klaus Trumpf, wie viele DDR-Flüchtlinge, mit 49 Jahren wieder neu anfangen. Die Wende erlebte er in Japan als Aushilfe beim Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt/Main und dachte, wenn er das gewusst hätte, wäre er lieber an der Staatsoper in Berlin geblieben. Aber es gab kein Zurück für ihn – die Stelle war zu schnell besetzt. Nach vier Jahren als Kontrabass-Professor in Saarbrücken erhielt er den Ruf an die Musikhochschule in München, an der er von 1994 bis zu seiner Emeritierung lehrte.

Seine zweite Leidenschaft gilt dem Werk von Johann Matthias Sperger, einem lange vergessenen Komponisten und ersten Kontrabass-Virtuosen der Mecklenburgisch-Schweriner Hofkapelle in Ludwigslust von 1789-1812. Klaus Trumpf ist nicht nur Gründer der Internationalen Sperger-Gesellschaft und seit 1975 Herausgeber der Werke Spergers. Sein Forscherdrang ließ ihn zudem bereits 1966 den Original-Bogen von Johann Sperger in einer Besenkammer in Schwerin finden. Außerdem rief er den Internationalen Sperger-Wettbewerb ins Leben, den einzigen Kontrabass-Wettbewerb, der alle zwei Jahre mit Teilnehmern und Juroren aus aller Welt stattfindet.

Auch die aus verschiedensten Ländern stammenden Virtuosen von Bassiona Amorosa wurden mehrfach bei Wettbewerben ausgezeichnet. Der Slowake Roman Patkoló etwa, der im Herbst 2008 bei einem Konzert im Potsdamer Nikolaisaal gefeiert wurde, war ab 1999 Stipendiat der Anne-Sophie-Mutter-Stiftung und ist derzeit als Solo-Kontrabassist an der Oper in Zürich tätig. Gemeinsam mit Anne-Sophie-Mutter führte er vor vier Jahren das Doppelkonzert für Violine, Kontrabass und Orchester von André Previn in Boston erstmals auf. „Neue Wege zu gehen, ist sicher der einzige und richtige Zugang zu einem Instrument, das viel zu lange in der Ecke stand“, meint Anne-Sophie Mutter, die den Werdegang von Bassiona Amorosa mit Interesse begleitet.

Die nächsten Konzerte von Bassiona Amorosa am 4. Juni um 19.30 Uhr im Rathaushof Berlin-Köpenick, am 17. Juli um 20 Uhr im Berliner Dom und am 20. August zur Potsdamer Schlössernacht

Babette Kaiserkern

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