Kultur: Rauschende Klangkaskaden
Bachtage Potsdam: Bob van Asperen gab Cembalokonzert in der Bornstedter Kirche
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Bachtage Potsdam: Bob van Asperen gab Cembalokonzert in der Bornstedter Kirche In einem rechtwinkligen Dreieck ist die Fläche des Quadrats über der Hypothenuse gleich der Summe der Flächen der Quadrate über den beiden Katheten. Ein klarer Fall für die Geometrie, dieser pythagoreische Lehrsatz. Weniger klar dagegen der Kasus, welche Wegbereiter Samenkörner für Johann Seb. Bachs spätere tonsetzerische Erleuchtungen hinterlegt haben. Wann und wo gingen sie auf? Wissenschaftler suchen es zu ergründen, Interpreten versuchen es erlebbar zu machen. Wie der niederländischen Cembalist Bob van Asperen, der mit seinem Recital in der Bornstedter Kirche im Rahmen der Bachtage Potsdam eine entsprechende Spurensuche unternimmt. A-Quadrat plus b-Quadrat gleich c-Quadrat? Hübsch hört sich in diesem Zusammenhang die erzählte Anekdote an, der Knabe Johann Sebastian, nach plötzlichem Elterntod bei Onkel Johann Christoph in Ohrdruf aufwachsend, habe nächtens bei Mondenschein heimlich alle ihm erreichbaren Notenhefte abgeschrieben. Unglücklicherweise ließ er sich dabei erwischen. Die ganze schöne Arbeit umsonst. Nicht ganz, denn was er in den Werken entdeckte, kam seiner ungestüm heranwachsenden Liebe zur Musik entgegen. Ob unter den einst kopierten Klavierstücken auch welche von Sweelinck, Frescobaldi und Froberger waren, die Bob van Asperen im ersten Teil seiner cembalistischen Erkundigungen präsentiert? Wir wollen es ihm, der zwischendurch immer wieder charmant über seine Programmzusammenstellung plaudert, gern glauben. Dass der Professor am Sweelinck-Konservatorium Amsterdam, sein Metier meisterlich beherrschen würde, steht von Anfang an außer Frage. Er spielt auf seinem mitgebrachten Instrument, einer Kopie aus dem Jahre 2003, angefertigt vom holländischen Meister Jan Kalsbek. Auf ihm erzeugt Bob van Asperen erstaunlich kräftige und weittragende Klänge. Mitunter scheint es gar, als gelte es eine muntere und kristallklar sprudelnde Quelle zu imitieren. Den Sämereien und Ohren ist''s sehr erfrischend und labend. Sämann Nr. 1: Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621). Festlich und verzierungsreich erklingt mit der Piece „Ballo del Granduco“ die pompöse Szenerie eines rauschenden Festes mit Defilee des Hofstaates. Mit einer schlichten Melodie ausgestattet, scheint die „Fantasia Cromatica“ gleich einer Pavane lacrimae die Klangbühne zu beherrschen. Bob van Asperen lässt sie ganz für sich wirken, spielt sie außerordentlich geschmackvoll. Sämann Nr. 2: Girolamo Frescobaldi (1583-1643). Erhaben und kraftvoll angestimmt, breitet sich die Toccata Decima mit ihren Stützakkorden im Bass und rauschenden Kaskaden im Diskant aus. Fünf Galliarden, fröhlich hüpfende Springtänze im 6/8-Takt, erweisen sich als silbrig getönte Miniaturen. Sämann Nr. 3: Johann Jacob Froberger (1616-1667). Auch der Schüler von 2) verlangt in seiner bewegt eilenden Toccata II d-Moll nach einem Tastateur, der die Kunst bravourösen Improvisierens exzellent beherrscht. Van Asperens strukturerhellendes Spiel durchleuchtet nicht weniger vorzüglich die getragenen, dramatisch akzentuierten und gravitätisch einherschreitenden Tanzsätze der Suite XII C-Dur, einem Lamento auf den Tod von Ferdinand IV., römisch-deutschem Kaiser. Die Samenkörner sind gelegt. Bachs Genie ist ihnen, wie wir wissen, der vorzüglichste Nährboden. Was ihm entsprießt, ist u. a. ergötzliche Tanzmusik. Intim und konzentriert, gradlinig und fast archaisch komponiert, zeigt sich dabei die Französische Suite I d-Moll BWV 812. Schnörkellos, fast ein wenig vergrübelt sinniert die kunstvoll stilisierte Allemande daher, rasch und pointierte eilt die Courante vorbei. Würdevoll schreitet die Sarabande einher, kaum weniger langsam das Menuett, während die Gigue den vergnüglichen Schlusspunkt setzt. Sich selbst hat Van Asperen rauschendes Tastenfutter in die virtuos eilenden Finger geschrieben, als er die Chaconne aus der Partita II d-Moll für Violine solo BWV 1004 transkribierte. Effektvoll führt er vor, was Bachs Pfadfinder selbigem auf den weiteren Weg mitgaben. Peter Buske
Peter Buske
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