Kultur: Reflexe zum Machterhalt
Was ist rechts, was ist links in der Politik? / Kruczek in der arche
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Was ist rechts, was ist links in der Politik? / Kruczek in der arche Von Gerold Paul Es gibt viel Misstrauen um Potsdam. Die Glaubwürdigkeit des Stadtparlaments ist in den Augen der Wähler ziemlich erschüttert. Freundlich gesprochen jagen sich die Skandale, etwas übler: Es stinkt. Diesen Eindruck musste man zwingend bekommen, als man den sachlichen Ausführungen des unabhängigen Abgeordneten Manfred Kruczek am Dienstag in der „arche“ zuhörte. Er sprach über die Frage, was eigentlich rechts und links sei in der Kommunalpolitik und wie man das erkenne. Antwort: Gar nicht. Beim Bund ist das nicht anders. Wer hätte wohl gedacht, dass Innenminister Schily, einst Verteidiger der RAF-Bande, sich eines sehr schönen Tages von Vertriebenenverbänden dekorieren lassen würde? Ähnlich war es in Potsdam, als es darum ging, ein Denkmal für die „Aussiedler“ zu stiften: 1998 wurde dieser Antrag lautstark abgelehnt, vier Jahre später stillschweigend fast ohne Gegenstimmen von denselben Volksvertretern angenommen. Der Referent zeigte in einem Ratespiel, wie unerkennbar bunt die städtischen Parteien ihre Anträge einbringen: Die PDS setzte sich für die Einrichtung eines eigenen Friedhofes für die Russisch-Orthodoxen ein, die CDU sorgte sich um den Baumbestand der Uni Potsdam, die SPD kümmerte sich um Sonnenschirme und Markisen im öffentlichen Blickfeld. In 90 Prozent der Fälle sei sich das Stadtparlament einig, nur in den restlichen zehn gäbe es Dissens. Es gehe „lebendig“ zu im Rathaus, meinte Kruczek, trotzdem sei es „kein normales Stadtparlament“. Namen zählten mehr als Parteibücher, Sachthemen mehr als Leitlinien, vor der angeblichen Sachdienlichkeit verschwinde jedes Parteienprofil. „An die Stelle rechts oder links'' ist heute die ,Generationenfrage“ getreten", meinte der Redner. In Potsdam regieren Köpfe und Strukturen, nicht Parteien. Die Unabhängigen bringen zwei mit ins Rathaus, dazu noch im Ehrenamt, was von doppeltem Vorteil sei: Einmal könnten sie „mehr Alltag“ in die Entscheidungsprozesse hineintragen, andererseits seien sie eben nicht darauf angewiesen, ihr Geld in und mit der Politik zu verdienen. Sie haben zwar einen freieren Blick, aber deutlich weniger Einfluss. Als die Sache mit der Klinikfusion ans Licht kam, stellte sich bald heraus, dass OB Jakobs die „Großen" längst vorinformiert hatte. Ihre Empörung im Stadtparlament sei also „künstlich“ gewesen. Die vier kleinen Parteien hingegen hatte er wohl „vergessen“. Selbst heute noch weiche er entsprechenden Anfragen aus. Matthias Platzeck übrigens soll gleich bei Antritt seines Amtes als OB versucht haben, diese lästige Fragestunde abzuschaffen, was am Widerstand der Parlamentarier scheiterte. Die großen Parteien zeigten in Potsdam „starke Reflexe zum Machterhalt“, indes selbst den Abgeordneten (geschweige die Öffentlichkeit) „das Wichtigste“ oft verborgen bleibe: „Hier laufen Dinge, die erfahren wir gar nicht.“ Die Sache mit der übervorteilten Sportförderung eines bekannten Fußballvereins, welcher seine Schulden mit einem städtischen Zwischenkredit zahlen wollte, die geheimen Sitzungen des Aufsichtsrates der Stadtwerke, darin sich auch Abgeordnete tummeln, der „Combino-Skandal“, wo es mächtigen Namen gelang, die Neubeschaffung von Straßenbahnen Siemens zuzuschieben, nicht einem ostdeutschen Konsortium (Kruczek: die wohnen an den Gleisen). Die Stadtwerke stünden sowieso im Zwielicht: Während die Mittelbrandenburgischen Sparkassen einmal jährlich ihr Sponsoring nachprüfbar offen legen, tue es jener kommunale Betrieb mitnichten, er sei in diese Sportsache („Verstoß gegen die Gleichbehandlung“) ebenso verwickelt wie in die ominöse Finanzierung von Stadt- und Inselfesten („tabu“), indem man sich die Gelder über einen Zuschlag für alle wieder hereinholt. Vom Publikum wurde ergänzt: „Auch das Spaßbad soll auf kriminelle Weise finanziert werden!“. Zur städtischen Schuldenlast selbst habe sich eine merkwürdige Mentalität ins Rathaus geschlichen: Ob die Stadt nun 40 oder 80 Millionen Manko habe, sei Jacke wie Hose, man kriegt sie ja doch nicht weg (vieles war hausgemacht, bei der Orchester- und Theaterfusion zum Beispiel). Es gehe also überhaupt nicht um Parteien- Profile, es gehe um Geld und Macht, wobei der Schulterschluss der rot-roten Genossen im Stadthaus wirklich auffällig ist. Die Großen seien sich einig – die Kleinen („wir leben viel mehr von der Presse“) lasse man ins Leere laufen. Der Namen sind am Dienstag viele gefallen, man kennt sie alle. Die Glaubwürdigkeit leidet, die Macht stört das nicht, egal wen man wählt, oder was. Manfred Kruczek würde das nicht gern hören wollen. Er bemüht sich ja in Minderheit um Transparenz und Unabhängigkeit, möchte deshalb mit den Berufspolitkern ungern in einen Topf geworfen werden. Er klagte nicht an, er schilderte nur, was er durfte. Zum Abschluss: „Lassen Sie nicht zu, dass Politiker dreimal am Tag ihre Meinung ändern! Wir brauchen Verbindlichkeit beim einmal gesprochenen Wort! Messen Sie die Politik daran!“ Denn Misstrauen herrscht rechtens.
Gerold Paul
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