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Kultur: Reichtum der Psalmen

Vocalkreis Potsdam sang bei „Vocalise“

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Vocalkreis Potsdam sang bei „Vocalise“ Die 150 Psalmen aus dem Alten Testament sind für Juden und Christen gleichermaßen von Wichtigkeit. Ihre kraftvollen Bilder haben immer wieder viele Komponisten zu allen Zeiten angezogen. Psalmvertonungen präsentierte der Vocalkreis Potsdam im Rahmen der „Vokalise 2004“ in der Friedenskirche Sanssouci. Unter der Leitung von Matthias Jacob erklangen Werke von jüdischen und christlichen Komponisten aus fünf Jahrhunderten. Der Schwerpunkt des Konzerts lag auf der Romantik und der Moderne, aber auch zwei Stücke. Zu hören, wie derselbe Psalm von verschiedenen Komponisten vertont wurde, ergibt interessante Hinweise auf Stil und Formgefühl, Vorlieben und Interessen. Die Vertonung des 116. Psalms „Das ist mir lieb, dass der Herr mein Stimm und Flehen höret“ durch Heinrich Schütz, den Nestor der evangelischen Kirchenmusik, besticht mit polyphoner Verflechtung der Stimmen bei gleichzeitig hochmusikalischer Ausdeutung des Textes, die jedoch syllabisch geprägt ist. Vergleichsweise klarer, herber und voluminöser erklingt dagegen der Psalm 51 im Satz von Andreas Hammerschmidt, einem Zeitgenossen von Schütz. Der melodienselige Reichtum des 19. Jahrhundert färbte auch auf die Kirchenmusik ab, so in Felix Mendelssohn-Bartholdys Psalm 100, den er für den Hof-und Domchor von König Friedrich Wilhelm IV. komponierte. Auf einen vibrierenden Akkord zu Beginn folgen mehrstimmige, sehr gesangliche Linien in überwiegend hohen Lagen, die die Damen des Chores bestechend intonieren. Für den Gottesdienst in Berliner Synagogen komponierte Louis Lewandowski, ein Zeitgenosse von Felix Mendelssohn-Bartholdy, der als erster Jude an der Berliner Musikhochschule studieren durfte. Seine Vertonung des 100. Psalms wirkt vergleichsweise jubelnder, eingängiger und klarer, als die seines Vorbildes, auch der 51. Psalm zeichnet sich durch weiche Gesangslinien und emphatisch-melismatische Textgestaltung aus. Fast zu breit ausladend erscheint dagegen Johannes Brahms“ Vertonung des 51. Psalms, dreigeteilt und gespickt voll mit vokalen Finessen, die von den hingebungsvollen Sängern noch einmal alles fordern. Als Höhepunkt kann die Vertonung des 51. Psalms von Darius Milhaud gelten. Ein ingeniöser Zwiegesang zwischen dem hellen, leichten Bariton des Vorsängers (Markus Schütte) und dem Chor, mit reizvollen Gegensätzen zwischen Einstimmigkeit und Polyphonie, modernen und archaischen Klängen und spielerisch-mathematischem Aufbau. Ein großes Lob für die Sänger und Sängerinnen vom Vocalkreis Potsdam, der unter seinem Gründer Matthias Jacob seit zwanzig Jahren besteht. Kleinere Orgelausflüge von Tobias Scheetz an der neuen Woehl-Orgel rundeten den Abend wunderbar ab. Einen Touch von Filmmusik besitzen die Orgel-Kompositionen von Olivier Messiaen und Marcel Dupré durchaus, der durch die dramatische Interpretation noch verstärkt wurde. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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