Kultur: Rein, klar und zartgetönt
Weihnachtsliedersingen mit Poznaner Knabenchor
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Wieder einmal hat sich mit dem Poznaner Knabenchor eine der berühmtesten Sangesgemeinschaften kindlich-jugendlichen Zuschnitts hören lassen, die sich bereits seit Jahrzehnten als „Polnische Nachtigallen“ in die Herzen der hiesigen Musikfreunde gesungen haben. Die einstige barocke Chorkleidung aus bestickten Samtgehröcken haben sie inzwischen abgelegt und gegen eine moderne, rostrote Anzugvariante eingetauscht. Auch die Sangeskultur hat sich mittlerweile dem Zeitgeist angepasst. Seit drei Jahren werden Knaben und Jungmänner vom komponierenden Dirigenten Jacek Sykulski geformt, der zugleich den Universitätschor der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznan als künstlerischer Leiter betreut. Dessen Chorsolisten brachte er zum Auftakt der diesjährigen Deutschlandtournee des Poznaner Knabenchors mit nach Potsdam – in die leider nur mäßig besuchte Nikolaikirche.
Der Chorleiter scheint nicht nur die repertoireliche, sondern auch die optische Abwechslung zu lieben, denn im Verlaufe des knapp zweistündigen Abends herrscht ein ständiges Kommen und Gehen der Sänger. Zu Beginn haben sich die Uni-Sänger an der Apsiswand aufgestellt. Vocalisengesumm breitet sich im Kuppelraum aus, wobei orgelnde Bässe für ein beeindruckendes, nachhallreiches Fundament sorgen. Darüber erhebt sich ein leicht und frei schwebendes Sopransolo. Die Knaben haben sich unterdessen beiderseits der Zuhörer aufgestellt: eine perfekte Raumklanginstallation a cappella.
Für den Vortrag der gregorianisch geprägten „Maria Matrem Virginem“-Weise eines Anonymus ziehen sich die Jungsänger in Apsisnähe zurück, währenddessen ein Knabensopran unterm Altarbaldachin engelsgleich seine schöne Stimme ertönen lässt. Für einen weiteren Gesang nehmen die Knaben und Männer dann auf den Altarstufen Aufstellung. Kaum verklungen, werden für die Variationen der „In dulci jubilo“-Bearbeitungen neue Gruppenarrangements getroffen. Man mag es zunächst für eine Art Bewegungstherapie halten, doch der Sinn erhellt sich einem spätestens bei den stets aufs Neue für Überraschungen sorgenden Klangkombinationen. Solcherart lassen sich die akustischen Tücken der Nikolaikirche wahrlich meistern!
Wie auch immer gerade die Stimmen kombiniert sind – der Vortrag begeistert durch seine sehr artifizielle Innigkeit, was der stimmerzieherischen Arbeit von Jacek Sykulski ein hervorragendes Zeugnis ausstellt. Er meidet eine ausufernde, forcierte und aufgesetzt wirkende Gesangsgeste, hält stattdessen den Klang stets schlank und überfordert die jungen Kehlen nie. Die danken es ihm durch betörend reine Intonation, durch zartstimmigen, homogen verschmelzenden Gesang. Immer wieder lässt er Knaben solistisch in Erscheinung treten, wie bei „Maria durch ein Dornwald ging“ oder der Bearbeitung des Schubertschen „Ave Maria“. Andere Weisen muss man dagegen erraten oder sich mühsam aus einer im Programmheft abgedruckten Repertoireliste suchen, denn einen „Ablaufplan“ für den Abend gibt es nicht.
Manch bekannte Melodie wie das Händelsche „Halleluja“ wird zurückhaltend von der Orgel (Jakub Pankowiak) begleitet, die sich gelegentlich auch als Harmonie- und Melodiestütze erweist. Besonders beeindruckend gelingen einige Lieder aus der „Weihnachtsgeschichte“ von John Rutter (geb. 1945), deren einfache und doch so stimmungsvollen Melodien den Kehlen der Sykulski-Kompanie maßgeschneidert scheinen. Geschmeidig und klangschön erklingt die „Stille Nacht“, als stiller Abgesang das „Guten Abend, gut Nacht“. Peter Buske
Peter Buske
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