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Auftritt in Potsdam. Pablo Ziegler (l.) stellte sein neues Album vor.

© promo

Pablo Ziegler in der Schinkelhalle: Reise durch ein langes Musikleben

Der große Saal der Schinkelhalle in der Schiffbauergasse ist in schummeriges Licht getaucht. Vor der Bühne stehen etwa ein Dutzend Reihen mit Stühlen.

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Der große Saal der Schinkelhalle in der Schiffbauergasse ist in schummeriges Licht getaucht. Vor der Bühne stehen etwa ein Dutzend Reihen mit Stühlen. Ein wenig mehr Zuhörer beim Konzert von Pablo Ziegler, Quique Senesí und Walter Castro hätten nicht geschadet. Doch die, die dabei waren, erfreuten sich an sehr lebendiger Musik direkt aus dem kosmopolitischen urbanen Lebensgefühl der beiden Amerikas. Dass Pablo Ziegler 71 Jahre alt ist, sieht man ihm nicht an. Hören kann man es schon gar nicht, wenn er am Flügel loslegt und entspannt durch die Tasten pflügt. Da rucken die Synkopen des Tangos, grooven jazzige Riffs, blitzen die Töne des Bandoneons von Walter Castro, flirren die Saiten der akustischen Gitarre von Quique Senesí. Zweifellos wäre die Musik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ohne Ziegler um einiges ärmer. Schon bevor er zehn Jahre lang als Pianist im legendären Quintett von Astor Piazzolla spielte, experimentierte Ziegler als Musiker und Komponist mit dem Jazz. Doch die Begegnung mit dem genialen Begründer des Tango Nuevo gab seiner Musik eine neue Richtung. Mehr als bisher spielte nun Zieglers Herkunft aus der argentinischen Metropole Buenos Aires eine Rolle, auch wenn er selber schon viele Jahre in New York lebte.

In Potsdam präsentierte Pablo Ziegler sein neues Album „Desperate Dance“ und zugleich eine Reise durch ein langes musikalisches Leben mit eigenen Kompositionen und Piazzolla-Stücken. Bei allen Stücken bildet Zieglers locker-spontanes Klavierspiel die Grundlage einer abwechslungsreichen Mischung aus Jazz, Blues, Tango, Milonga, Malambo und mehr. Oft klingt das weniger krass, sondern eher gelassen und entspannt oder quecksilbrig und poetisch, doch stets auf eigene, ebenso dezente wie hochmusikantische Art. Die prägte schon den Piazzolla-Klassiker Fracanapa, bei dem Ziegler einst und jetzt mit schnellen Staccati und Glissandi auf dem Klavier für den richtigen Sound sorgte. Eine Huldigung an den Altmeister des Tango Nuevo bildet auch das Stück Escualo, zu dem Ziegler eine lustige Geschichte erzählt. Im Urlaub an der Punta del Este, einem Badeort in Uruguay, sei Piazzolla liebend gerne fischen gegangen. Während dieser stets große Haifische – escualos – fing, brachte Ziegler nur ganz kleine Fische zutage. Wie munter es dabei zuging, kann man sich bei den rauschenden Klavierwellen und dem Glitzern des Bandoneons gut vorstellen, wobei eine gewisse nervöse Spannung stets im Untergrund mitgroovt. Ostinate Bassfiguren legen den dunklen Untergrund bei Zieglers Blues Porteño mit langen, gelösten Solopassagen auf Klavier und Bandoneon. Mit Piazzollas mitreißend fantastischer Melange aus Bachscher Fuge und Tango in Fuga y misterio geht es in die Pause. Viele Einflüsse speisten Pablo Zieglers musikalischen Kosmos. Außer Jazz und Klassik gehört dazu auch der Jazz-Rock der 1980er-Jahre wie etwa das Mahavishnu Orchestra von John McLaughlin. Bei Ziegler ergibt das einen funky Mahavishnu Tango mit viel Percussion auf Klavier, Bandoneón und Gitarre.

Experimentell geht es auch im Titelstück „Desperate Dance“ zu, wo auf einmal dem Tango der entscheidende achte Rhythmusschlag fehlt. Auf der Suche kann man ihn im Mittelteil des turbulenten Stücks finden, wenn er nicht wieder verloren geht. Eine verträumte Idylle zeichnet die kleine Countryside-Milonga, während die Conexión Porteña als wilde Verfolgungsjagd durch die Straßen von Buenos Aires führt, mit einem rhapodischen Mittelteil – dynamisch und pittoresk, wie es sich für eine ursprünglich geplante Filmmusik gehört. Dass Ziegler und seine Mitspieler Senesí und Castro schon lange musikalischen Umgang pflegen, kommt ihrer sprudelnd organischen Spielweise sehr zugute. Dem argentinischen Komponisten Alberto Ginastera ist das letzte Stück gewidmet, ein schneller Malambo, bei dem die drei genuinen Musiker aus der Südhälfte Amerikas noch einmal Klänge vibrieren und Funken sprühen lassen. Das Publikum feiert Ziegler, Senesí und Castro und seine Mitspieler mit langanhaltendem Applaus. Wer das Konzert verpasst hat, kann es am 15. Februar um 20 Uhr auf Deutschland Radio Kultur hören. 

Babette Kaiserkern

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