Kultur: Reizvoll
„Friedericiana“-Auftakt in der Friedrichskirche
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„Aus wirtschaftlichen Gründen und religiösem Mitleiden ließ Friedrich II. vor allem für böhmische Weber, Spinner und Wollstreicher Nowawes errichten, dazu eine evangelische Kirche“, erzählt Historiker Ulrich Schmelz. Sie sind in die Babelsberger Friedrichskirche gekommen, um dem Auftakt der Benefizkonzertreihe „Friedericiana“ zugunsten der dringenden Orgelerneuerung beizuwohnen. Manches Wissenswerte über „König Friedrichs Kirche“ erfahren sie auch von Andreas Kitschke. Und da zufälligerweise der 300. Geburtstag des musenfreundlichen Monarchen unmittelbar bevorsteht, kommt mit Unterstützung der „Höfischen Festspiele Potsdam“ eine höchst reizvolle Offerte zustande, die von „Friedrichs Opernträumen“ erzählt.
Als künstlerische Verbündete sind die Berliner Lautten Compagney und der Kammerchor der Sing-Akademie zu Berlin gewonnen, die unter Leitung von Kai-Uwe Jirka eine musikalische Etappenreise durch Friedrichs Vita und künstlerische Intentionen unternehmen. Eröffnet wird sie mit dem lobpreisenden, aus geläufigen Kehlen frisch und unbekümmert angestimmten Eingangschor „Te Deum laudamus“ aus dem gleichnamigen Hymnus von Carl Heinrich Graun, den der Hofkompositeur nach der siegreichen Schlacht von Prag schrieb. Ihn hat bereits der 16-jährige Fritz anlässlich eines väterlichen Staatsbesuchs in Dresden kennengelernt. Dort entdeckt er zahlreiche barockprächtige Kirchen, in denen der vom Vater verächtlich „Querpfeifer und Poet“ genannte Jüngling von der Oper träumen kann.
Als Beleg dafür passt die Arie „Digli ch’io son fedele“ aus „Cleofide“ vom Dresdner Starkomponisten Johann Adolph Hasse ganz vorzüglich. Hanna Herfurtner trägt sie mit ihrem gerundeten, warmgetönten und ebenmäßig geführten lyrischen Sopran vor. Für den Dacapoteil verwendet sie die Verzierungen Friedrichs II., in denen er viel Kehlkopfakrobatik verlangt. Mühelos koloratourt und trillert die Sängerin die halsbrecherischen und ausschweifenden Verzierungen. In der Sektion „Tragische Heroinen“ zeigt sie sich in der Solokantate „Hat die Schönheit kein Erbarmen“ ganz von ihrer empfindungsvollen Gestaltungskunst. Doch auch in den Themenbereichen „Galante Feste“ und „Gerechte Herrscher“ schüttet das Füllhorn fast nur vokale und instrumentale Graunsche Klänge aus.
Akzentbetont und zügig, stilkundig in den weiten Welten der historischen Musizierweise zu Hause, detailreich und voller lebendiger Hingabe ist die Lautten Compagney nicht nur den Solisten und der wandlungsreichen Sing-Akademie ein exzellenter Begleiter, sondern weiß auch in eigenen Instrumentalbeiträgen (mit zwei Traversflöten!) zu überzeugen. Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges versiegen Friedrichs Flötentöne, sind die Opernträume ausgeträumt. Schmerzerfüllte Kantatenklänge künden von „Friedrichs Ende“, mit denen der Bürger Zelter seinem König die letzte Ehre erweist. Und darf mit ihr erreichen, was dem König verwehrt blieb: mit väterlichem Segen den Musen folgen. Ein löblicher, beifallsbedankter „Friedericiana“-Auftakt. Auf die folgenden sieben Konzerte darf man gespannt sein. Peter Buske
Peter Buske
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