zum Hauptinhalt
Musik macht sogar den Räuber zahm. Laura Schwickerath und Alexander Finkenwirth in Wulf Twiehaus’ Inszenierung „Der Räuber“.

©  HL Böhme

Kultur: Reizvolles Verwirrspiel

Wulf Twiehaus inszeniert Friedrich Schillers „Die Räuber“ in der Reithalle

Stand:

Ist man als Zuschauer sehr aufmerksam, prinzipiell aufgeschlossen und genug mit Friedrich Schillers agilem Erstlingswerk „Die Räuber“ vertraut, wird man an der von Wulf Twiehaus neu inszenierten Fassung gewiss seine Freude haben. Ungewöhnlich in seiner Machart, laut und zugleich minimalistisch, verquer und fordernd, versprüht dieses Stück doch seinen Charme, der sich nicht aufbraucht, bis zum langen Schlussapplaus mühelos hält und für die Schauspieler mehrere Verbeugungsrunden zur Folge hat. Eine gelungene Premiere also, die am Donnerstagabend vor restlos belegten Rängen in der Reithalle des Hans Otto Theaters gefeiert werden konnte.

Dabei ist es durchaus nicht immer einfach, im Bilde zu bleiben. Denn Twiehaus’ Zugriff auf „Die Räuber“ ist radikal, sein Personal nur auf die beiden verfeindeten Brüder Karl und Franz Moor und die angebetete Amalia von Edelreich eingegrenzt. Lediglich drei Hauptfiguren zwar, die jedoch im munteren, teils verwirrenden Wechselspiel von Marie Kerkhoff, Nicole Gerdon, Sofie Miller, Laura Schwickerath, Michael Magel, Alexander Finkenwirth, Luka Dimic und Felix Freese verkörpert werden. Allesamt Studenten der Babelsberger Filmhochschule. Ein achtköpfiges Kollektiv, das etwa in übergroßen Armeeparkas, mit einer putzigen gelben Strickkrone auf dem Kopf und einer Stehlampe bewaffnet auf die stockdunkle leere Bühne kommt und sich den Textpart nur einer Rolle aufteilt, bevor es wenigstens als Grüppchen schon wieder zur nächsten Figur, zur nächsten Szene springt.

Kann man wohl dem Plot von Intrige, Verbannung, Aufbegehren, Selbstzerstörung, Liebesschmerz und Tod noch folgen, so sieht man doch tatsächlich nicht viel von einer Handlung auf der Bühne. Abgesehen von den obligatorischen Tobereien und wilden Spektakeln, die sich meist im kalten spärlichen Neonlicht abspielen, wenn sich die lauten Klagen und Wutschreie der Söhne über das Publikum ergießen, hört man stattdessen viel Background-Musik, etwa von PJ Harvey, Patti Smith oder Noel Gallagher. Als musikalische Höhepunkte jedoch erweisen sich dann Titel wie „Hurt“ von Nine Inch Nails oder „My Body Is A Cage“ von Arcade Fire in den bemerkenswert guten Eigeninterpretationen der Schauspieler. Aussagekräftige Unterstützungen. Denn Twiehaus’ Inszenierung ist zuallererst ein gewaltiges Sprachspiel, eine mehrstimmige Wortflut, darin es nicht an Augenblicken mangelt, in denen die Figuren fast übergangslos zu verschwimmen scheinen und wo man manchmal genau aufpassen muss, wessen Rolle da gerade gesprochen wird. Doch schadet diese Überlagerung dem Stück selbst keineswegs. Viel mehr wird so deutlich, dass hier nicht in erster Linie der Bruderkrieg zur Tragödie wird oder ein unerfüllbares Liebesglück, sondern die brüchig gewordene Welt der Väter, gegen die die Nachfolgegeneration mit Fleischermessern und Pistolen rebelliert, wenngleich letzten Endes vergeblich.

So scheint es auch, dass verrohte Kühnheit auf der einen und Hinterlist auf der anderen Seite irgendwann plötzlich verschmelzen. In ihrem unbändigen Freiheitsdrang und ihrem ins Nirgendwo verlagerten persönlichen Glücksanspruch, eben in dieser schmerzlichen Sehnsucht finden die drei Hauptfiguren zusammen. Mit Leidenschaft und einer merklichen Festigkeit haben die Schauspielstudenten dies in achtfacher Ausführung transportiert und nach zwei Stunden auf der Bühne ein Schlachtfeld hinterlassen.

Wieder am 29. Dezember, 13. Januar und 26. Januar, jeweils um 19.30 Uhr in der Reithalle in der Schiffbauergasse. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 98118

Daniel Flügel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })