Kultur: Remmi Demmi
Johann König tobte im Nikolaisaal
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Nicht selten ist sein Kurzauftritt der einzige Glanzpunkt in einer ansonsten nur schrill bunten TV-Show. Doch Johann König, der Mann mit der unverkennbaren Singsangstimme, die sich stets hervorzuquälen scheint, um dann doch jäh wieder weg zu brechen oder in einem zähneknirschenden Genuschel zu enden, kann auch Säle füllen, fast zweieinhalb Stunden lang. Und egal, was er auch anstellt, man liebt ihn dafür und feiert ihn frenetisch, mit Lachtränen auf den Wangen.
In braunem Kordanzug, dunkler Krawatte und grellgelbem Hemd betritt der Komiker König am Mittwochabend zu den Klängen der Rocky-Titelmelodie die spärlich dekorierte Bühne des Potsdamer Nikolaisaals. Auf „diesen Raum mit der Beulenwand und den Kuhmusterklappstühlen“ habe er sich schon lange gefreut und natürlich auch über die gut 700 Gäste, ohne die das hier ja sonst ziemlich sinnlos wäre, was ihm nicht entgeht. Es ist die Rolle des von blitzartigen Gefühlsausbrüchen heimgesuchten und regelmäßig mit Nonsens-Gedichten auftrumpfenden Introvertierten, die den 37-jährigen Kölner bekannt gemacht hat. Auch an diesem Abend bekleidet er sie wieder grandios, was es nicht unbedingt leichter macht, ihm seinen totalen „Bock auf Remmi Demmi“, so das aktuelle Tourmotto, anzumerken. Da hilft wohl auch ein lustloses Tischfeuerwerk so wenig, wie der häufige Blick zur Uhr und das offenkundige Abhaken der Gags: „So, das hätten wir fertig“. Doch die Besucher bejubeln ja jede seiner zufälligen und doch durchdachten minimalistischen Gesten, jeden absurden Gedankensprung, der ihn von einer Alltagsepisode zur nächsten bringt und jeden der scheinbar sinnentleerten Verse, die er zwischendrin immer wieder einstreut: „Ich sense das Gras – aus Spaß“. Was König jedoch so sympathisch macht, ist seine gespielte Unbeholfenheit einerseits und seine bisweilen gnadenlose Selbstironie. Er, der „Lingualgourmet“, der den Sprachverfall beklagt und sich über das inflationäre „Sorry“ dieser „fucking Anglizisten“ ärgert, verheddert sich selbst so köstlich in seinen Sätzen und braucht öfters etliche Anläufe, um einen Witz überhaupt bis zur Pointe zu bringen oder ein altes Kurzgedicht vorzutragen, welches „in all den Jahren nichts von seiner Belanglosigkeit verloren hat“. Oftmals greift er sich dann fassungslos an die Stirn, als könne er selbst nicht glauben, was er da eben für einen Unsinn zum Besten gegeben hat und schwört sich mit einem verräterischen Grinsen: „Den lass ich morgen weg.“ Das kann er bis zur Demontage seiner eigenen Comedy-Kunst treiben. Das Aufrollen seiner Krawatte wird als „ruhige Stelle im Programm“ bezeichnet, und nichts hält ihn nun noch davon ab, die Fans mit billigen Keyboardklängen zum Singen zu animieren oder sich bald darauf umständlich, in gekonnter Slapstickmanier, mit schmerzverzerrtem Gesicht, auf einem Stuhl zu räkeln.
Nach der etwas langen Pause will König am liebsten gar nicht mehr weitermachen, ob es bis hierhin noch Fragen gebe, will er von den Johlenden und Feixenden wissen. Und da es keine Fragen gibt, erzählt er schon die nächsten Geschichten, etwa von der Käsefrau an der Wursttheke im Supermarkt oder vom dicken Sören Moppel, einem Stadtkind, das nur lila Kühe malt. Überall, und sei es noch so verklemmt und zum Lachen verstellt, beweist Johann König an diesem Abend so ausführlich sein feines Gespür für Kontraste im Alltäglichen, seine Routine im vermeintlich Routinefernen. Er ist ein großartiger, lupenreiner Komiker, den die Leute da, ganz zu Recht, auch wie einen König feiern. Daniel Flügel
Daniel Flügel
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