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Kultur: Rendezvous mit edlen Geistern

Orgelsommer-Konzert mit Hartmut Rohmeyer

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Wieder so eine Programmzusammenstellung, bei der der Zufall seine Hand im Spiel hatte? Für Hartmut Rohmeyer, seit knapp 25 Jahren Kantor und Organist am Lübecker Dom, keinesfalls. Anreger für die Werkauswahl seines Orgelsommer-Konzerts am Mittwoch in der Erlöserkirche sei ihm die Reise von Johann Sebastian Bach zu seinem Sohn Carl Philipp Emanuel nach Potsdam gewesen. Und so fühle er selbst sich auch als ein Reisender, der „beide Bachs“ mitbringe und „Felix Mendelssohn Bartholdy, den edlen Geist“, wie er zur Einstimmung verkündet. Er erzählt von diversen Querverbindungen der Komponisten, zu denen sich noch ein gewisser Hermann Jimmerthal geselle, der seine Ausbildung bei Mendelssohn Bartholdy in Düsseldorf genoss, ehe er zum Organisten der Lübecker Marienkirche berufen wurde. Er gilt übrigens als Vorbild für die Figur des Edmund Pfühl in Thomas Manns „Buddenbrooks“. Auch Jimmerthal habe sich wie Mendelssohn um die Wiederentdeckung vom „alten Bach“ große Verdienste erworben. Die Fäden sind geknüpft, die Reise kann beginnen.

Zum Auftakt spielt der 63-jährige Rohmeyer – im Erzgebirge aufgewachsen, wo er erste musikalische Anregungen durch die dort erhaltenen zahlreichen historischen Orgeln erhielt – Mendelssohns D-Dur-Sonate op. 65 Nr. 5. Den einleitenden Choralsatz trägt er genauso weich getönt und schlicht im Ausdruck vor wie das nachfolgende, gefühlvoll schreitende Andante con moto. Helle, glänzende und scharfe Prinzipalstimmen sorgen für die Strahlkraft des finalen Allegro maestoso. Gleichmäßig tritt er das Pedal, über dessen Ostinato die verzierungsreiche Diskantstimme läuft. Nach acht gefühlvoll-monumentalen Minuten kündet Johann Sebastian Bach mit seiner d-Moll-Sonate BWV 527 von seinen pädagogischen Ambitionen bei der musikalisch-technischen Ausbildung von Sohn Wilhelm Friedemann und anderer Schüler. Das konzertant angelegte Stück fließt munter dahin, zeigt sich regelrecht verspielt, durchsetzt mit zahlreichen trillerreichen Verzierungen. Prägnante Diskantregister zieht der Organist dabei für die Ecksätze, während er mit Zungenstimmen und Schwellwerk das Andante lieblich und langsam ertönen lässt.

Bislang registriert Hartmut Rohmeyer die einzelnen Sätze je nach Stimmungsabsicht fast einheitlich, um dadurch für eine gewisse Geschlossenheit des Empfindens zu sorgen. Doch mit der Fantasie über das englische Lied „God save the King“ kommen Kontraste ins Spiel. Ans bekannte Liedthema tastet sich der Komponist allmählich heran, um es leidenschaftlich und majestätisch hin und her zu wenden, ornamental reich auszuschmücken oder mit harmonischen Weitschweifigkeiten zu versehen. In hymnischer Größe, mit Trompetenklang und Echowirkungen, endet die majestätische Huldigung. Mit perlenden Läufen, Echo- und sonstigen Effekten zur Gemütsergötzung spart auch Carl Philipp Emanuel Bach in seiner F-Dur-Sonate nicht. Das pointierte, an einen gestochen gläsernen Cembaloklang erinnernde Spiel des Organisten betont die Stimmungsgegensätze, setzt aber auch auf intime Wirkungen. Romantisch volltönend, geheimnisvoll, erhaben und kraftvoll gespielt, sorgt Mendelssohns glaubensstarke d-Moll-Sonate op. 65 Nr. 6 für den beifallsbedankten Reiseabschluss. Peter Buske

Peter Buske

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