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Kultur: Resolute Rhetorikerin

Saisonauftakt der Schlosskonzerte der Kammerakademie Potsdam

Stand:

Für kleine inhaltliche Widerhaken sind die Programme der Kammerakademie Potsdam immer gut, was jüngst wieder beim Saisonauftakt ihrer Schlosskonzert-Reihe im Neuen Palais zu erleben war. „Mozart und Haydn“ hießen die Protagonisten der nachmittäglichen Musizierrunde, die überdies mit dem dänischen Hochromantiker Niels Wilhelm Gade (1817-1890) bekannt machte. Dessen „Noveletten“ für Streichorchester (in E-Dur op. 58) entpuppten sich wahrlich als kleine Erzählungen, als vierfache Charakterstücke von meist heiterer Grundstimmung. Um Platz zu sparen, hatten sich die Streicher zum Stehkonvent auf den Bühnenbrettern eingefunden. Was nicht nur apart anzuschauen war, sondern auch zu einer sicht- und hörbaren Körperspannung führte. Als (an-)leitende Konzertmeisterin (und spätere Solistin) führte Antje Weithaas das Ensemble zu lustvollem, im Strom der kantablen Melodien schwingenden Musizieren.

Angetreten in minimalistischer 5-er Besetzung (der die Spielgemeinschaft anführenden, sauber intonierenden und präzise zusammenspielenden ersten Geigen), mit durchweg straffer Bogenführung und voll der beschwingtesten Gedanken breiteten die Musiker das rhapsodisch geprägte Geschehen aus. Klangklar und energisch ging man zu Werke, verlor sich etwa im empfindsamen Andante nie im Überschwang der Gefühle, ohne sie jedoch gänzlich auszusparen. Einem kapriziösen Disput glich das Intermezzo, während das Final-Allegro dem Ganzen einen leidenschaftlichen Schlusspunkt setzte. Es schien, als spielte man auf Zehenspitzen: nicht leise, sondern voller Intensität.

Solche briogeprägte Spielhaltung bestimmte auch die Aufführung von Joseph Haydns A-Dur-Violinkonzert, das erst Mitte des vorigen Jahrhunderts im Druck erschien. Straff, gleichsam entzopft klang die Orchestereinleitung auf, ehe Antje Weithaas auf ihrer modernen Greiner-Geige (2001) zum technisch anspruchsvollen, eskapadenreichen Solotanz auf Saiten anhob. Dabei erwies sie sich als resolute Rhetorikerin. Sie sang sehnsuchtsvolle Passagen total verinnerlicht, steigerte die Leidenschaften in den kontrolliert-virtuosen Rausch – kurzum: sie lebte die Musik mit allen Muskel- und Nervenfasern, schau-spielte die Klänge mit körperlicher, gestischer und mimischer Hingabe sondergleichen. Dazu ihr blickkontaktreiches Spiel, ob sie nun das Tutti mitspielte oder im Solo brillierte.

Musik muss wahrlich durch den Körper hindurchgehen, will sie überzeugen. Diese Körperlichkeit zeichnete auch die Wiedergabe von Wolfgang Amadeus Mozarts sechssätzigem D-Dur-Divertimento KV 334 aus. Herrlich erfrischend ging es dabei zu, waren pointierte Dialoge zwischen den Streichergruppen und dem Hörnerduo geführt. Erneut suchte man mit kräftigem Bogenstrich einen spannungsreichen, straff artikulierten Redetonfall zu erzeugen. Doch im Forte schlich sich mitunter ein störend scharfer Klangausdruck ein. Notentextgemäß trat die erste Geige mehrmals solistisch hervor, um ebenso uneitel ins musikalische Glied zurückzutreten. Antje Weithaas beherrschte diese spannungsvolle Gratwanderung vorzüglich. Unter ihrer impulsgebenden Anleitung tanzte das Menuetto aristokratisch einher, sozusagen erhobenen Hauptes. Die überraschenden harmonischen Wendungen des zweiten Menuetts spielten die Musiker sehr kontrastbetont. Kurz phrasiert und auffallend hell klingend tollte sich das Final-Rondo gleichsam auf die übermütige Spitze. Viel Beifall.

Peter Buske

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