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Kultur: Respekt vor Andersartigkeit

Monika Schulz-Fieguth, Corinna Dahme, Christa und Peter Panzner im Alten Rathaus

Stand:

Monika Schulz-Fieguth, Corinna Dahme, Christa und Peter Panzner im Alten Rathaus Von Lore Bardens Dunkle, halblange Haare umrahmen die beiden fast weißen, unschuldig wirkenden Mädchengesichter. Doch kurz vor dem unteren Bildrahmen drängen sich zwei nackte Brüste aus dem schwarzen Umhang, schauen keck auf die Betrachter. Mit „Meine Töchter“ begrüßt Monika Schulz-Fieguth den Besucher der „quARTe“ genannten Ausstellung im Alten Rathaus. Und prompt führen sie einen in die Irre, so schön sie auch sein mögen, diese romantisch verklärten jungen Frauen. Es geht in der Ausstellung nicht, auch nicht bei Monika Schulz-Fieguth, um verkünstelte Sentimentalität oder Hamilton artige Kitschversionen junger Erotik. Lediglich in ihren Fotografien spielt die konkrete menschliche Körperlichkeit eine Rolle. Mit dem Titel „Wandlungen“ hat sich Monika Schulz-Fieguth ihr Thema vorgegeben. Unterschiedliche Gestalten, Alters- oder auch jahreszeitliche Stufen interpretiert sie auf der Suche nach Harmonie und Einverstandensein mit der Welt: zart, andeutend, märchenhaft, verschleiernd. Überlang wehen die Haare der „Wandlungen“ verzärtelnd, mantelartig schützen sie den nackten Körper. Grau verhangen, aber friedlich nebelt der „November“ das Boot in den See, welteneins sammelt die alte Diakonisse Nüsse im herbstlichen Wald. Während Schulz-Fieguth sich den äußeren Bedingungen des Daseins fotografisch abgefiltert nähert, geht es den großformatigen Arbeiten von Christa Panzner um seelische Tiefe und den Kampf um einen angemessenen Ausdruck brodelnder Abgründe. Gerungen wird da, gelitten, erlebt, nicht nur Trauer. Gewaltig, fast schamlos kommen ihre Bilder daher. Dabei zeigt sie in „Wüste“ herausplatzende, überbordende, kräftigfarbige Lebensfreude. Glutrot dominiert und metallen schimmern die Flächen der „Großen Blume“. Aber dann: schwarz-grau nuancierte, in sich selbst verschlungene, alles verschlingende Seelennot bricht sich in großer Meisterschaft Bahn. Gewitter müssen das sein, Stürme, Erdbeben, die innen toben und die äußerlich ruhig scheinende Oberfläche gefährden. Bescheidener hingegen verhält sich ihr Mann Peter Panzner, der seine Eindrücke reiht und nummeriert, vielleicht um nicht ebenfalls in hellen Jubel oder lautes Wehklagen auszubrechen. Reicht, wenn einer in der Familie das tut, scheint er sich zu denken und presst seine Reiseeindrücke zwischen relativ kleinformatige Rahmen. Verschämt werden die unterschiedlichen Farbschichten übereinander gestaffelt, als gelte es, der Kraft der Empfindung die Energie der Disziplin entgegenzuhalten, selbst wenn der Mond in Namibia golden schimmert oder die sizilianischen Palmen einem roten Himmel entgegen blicken. Gefangene Landschaften der Freiheit, heitere Nächte der Trauer. Erholung findet man nach diesen verhalten oder gar offen zutage tretenden inneren Stürmen bei Corinna Dahme, die keramisch, kühl und dreidimensional ironische Spitzen treibt. Wenn jedermann „autark“ sein möchte und doch nur als gleicher grüner Teil einer Masse den wuchtigen Körperspitz nach oben auslaufen lässt, ist es kein Wunder, dass diese Individuen dümmlich-eigentümlich, über die eigene Isoliertheit bass erstaunt, stumme Verwunderung in die dünne Luft posaunen. Oder wenn Paare gebogener Hörner miteinander Kontakt suchen, spielerisch Ausgewogenheit, Gelassenheit und Harmonie vortäuschend, freut man sich über eine mögliche Heiterkeit und Leichtigkeit des Seins. Kein Zufall, dass die vier schon mehrmals miteinander ausgestellt haben, ergänzen, unterstützen und kommentieren sie sich doch auf eine Art, die künstlerische Kollegialität und Respekt vor der Andersartigkeit der Arbeiten und inneren Welten aushält, in der Schwebe lässt und zu neuen Energien nutzt. Ausstellung bis 29. Mai, Altes Rathaus, Di-So 10-18 Uhr

Lore Bardens

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