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Kultur: Retour zur Gloriette?

Bemerkungen zu einer „Rauchzeichen“-Ausstellung

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Bemerkungen zu einer „Rauchzeichen“-Ausstellung Viele Potsdamer verbinden den „Bassinplatz“ mit dem ehemaligen Busbahnhof neben der katholischen Kirche Peter und Paul, doch historisch markierte das 1737 im Rahmen der 2. Stadterweiterung erschlossene Areal zwischen Charlotten- und Gutenberg-, Hebbelstrasse und Am Bassin die größte öffentliche Freifläche der Residenzstadt. Ihre Geschichte ist so wechselbälgisch wie die Potsdams auch: Friedrich Wilhelm I. ließ hier einen später von Sandstein gefaßten Teich entstehen, in dessen Mitte der Architekt Boumann 1739 die inzwischen vergessene „Gloriette oder Lusthaus auf holländische Art“ errichtete. Dieses hübsche Häusel (neun Quadratmeter und zwei Nebengelasse), worin ja nie ein „Tabacs-Collegium“ qualmte, lag genau im Sichtachsen-Kreuz von Benkert- und Brandenburger Straße. 1825 wurde das immer wieder verlandende Bassin bis auf einen „Restteich" zugeschüttet. Lenné gestaltete den beim Volk beliebten Platz dann neu, ließ 100 Linden pflanzen. 1866 wurde er der Stadt überschrieben, ein Jahr darauf begann der Bau von Peter und Paul. Nochmals zehn Jahre später gab es kein Wasser mehr im Bassin, dafür neue „gärtnerische Anlagen“. Die gute alte Gloriette blieb Potsdam bis nach 1945 erhalten, dann verliert sich ihre Spur auf nicht mehr nachvollziehbare Weise. Heute markiert das sowjetische Ehrenmal ziemlich genau den ursprünglichen Standort dieses Objektes. Wie die PNN berichteten, haben sich Frank Bock''s Zigarrenladen „Rauch-Zeichen" und der um innerstädtischen Wiederaufbau alten Kulturgutes bemühte Verein AGAPHI zusammengetan, um Potsdam und seinen Touristen wenigstens die Erinnerung an den alten Bassinplatz mitsamt der „Gloriette“ zurückzuerobern. Dazu wurde in der Hebbelstraße 46 nicht nur ein neues „Tabakskollegium" installiert, wo man in unregelmäßigen Abständen bei Zigarren und Wein die architektonischen Fragen der Stadt ventiliert. In den Räumen des Zigarrenhändlers und ausgebildeten Architekten gibt es zum aktuellen Anlass auch eine sehenswerte Ausstellung, die mit aller Klarheit ins Gedächtnis holt, welch harmonischer Glanz einst über dieser Residenz lag. Im 20. Jahrhundert wurde ja nirgendwo mehr etwas Schönes geschaffen, nach 1945 erst recht nicht. So kann der Besucher anhand eines Modells vom Inselhäuschen (Siegfried Lieberenz) vielleicht selbst beurteilen, ob sich der ganz ferne (und kaum zu denkende) Wiederaufbau lohnte; und wenn, dann gewiss nicht am originalen Ort, denn der „Ehrenfriedhof“ gilt nach internationalem Recht als „dauerhaft geschützt". Veduten vom Bassin, historische Darstellungen und Fotos machen Dimension und Plan des heute „ungestalten und nutzlosen Platzes“ (Architekt Norbert Blumert) sichtbar. Demnach begrenzte das heutige Holländerviertel jenes Ensemble nicht. Es war, auch im gesellschaftlichen Leben damals, genauso in den Gesamtplan verwoben wie die Französische Kirche auf der Gegenseite. Erst die drei verschwundenen Boumann-Häuser an ihrer Flanke zeigten, wo das Quartier endete. Auch sonst lädt die kleine Ausstellung alle Nostalgiker zum Träumen ein. Vorerst. Die pfiffigen „Tabaks-Kollegen" wissen, dass man im Stadthaus beim Thema „Gloriette" keine Freudensprünge macht. Hatte der Tanz um die Garnisonkirche nicht auch mit solcher „Bewusstseinsbildung“ angefangen? Irgendwo ein „Lusthaus" aufzustellen, wäre für keinen ein Problem, todsicher tauchen sogar seine demontierten Teile wieder auf. Konzeptionell ist der gesamte Platz gemeint. Im Zigarrenladen wird folglich Pionierarbeit getan: Jetzt sieht man auch, was Norbert Blumert sah: Der „Bassin" wirkt tatsächlich „ungestalt und nutzlos“. Wie auch immer, das Problem ist auf dem Tisch, und nachdenken - kostet ja nichts. Gerold Paul Die Ausstellung ist bis Oktober in der Hebbelstrasse 46 während der Geschäftszeiten zu sehen.

Gerold Paul

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