Kultur: Riesenflieger im giftgrünen Land
Rüdiger Giebler und Moritz Götze aus Halle stellen bis 5. Juni in der Galerie Sperl aus
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Rüdiger Giebler und Moritz Götze aus Halle stellen bis 5. Juni in der Galerie Sperl aus Da ist er. Angekommen und selbstsicher wirkt der Anzugträger, gerade ist der Flieger gelandet und der Offizielle winkt seinen Aktenkoffer-Gruß von der Gangway über die weite Fläche der Galerie Sperl. Ein Riesenflugzeug begrüßt den Besucher der aktuellen Ausstellung der Hallenser Künstler Moritz Götze und Rüdiger Giebler, kein Bilderrahmen begrenzt, lediglich ein fallen gelassener Kerosintank rechts unten zeigt die mögliche Gefahr eines Brandes. Eines Kunstbrandes, eines Flächenbrandes der imaginären Welten. Da ist er: Moritz Götze, unser Wunderkind. Angekommen schon lange, sicherlich nicht immer krawattiert winkend, aber er hat es raus: Wie nur wenigen der ostdeutschen Künstler gelang es ihm, sich in der Kunstszene zu profilieren. Unverwechselbarer seine Handschrift, ein Mix aus Comicsprache, bunter Malerei, manchmal beruhigend im konventionellen Bilderrahmen gehalten, mit ikonisierten, leicht verständlichen und erzählerischen Versatzstücken, Zitaten unserer Werbe- und Warenwelt jonglierend. Man mag es ihm und seiner häufig naiv, manchmal auch ursprünglich wirkenden Großflächigkeit und Unbekümmertheit gönnen, und sich an den prallen Formen und Farben erfreuen. Lange muss man sich nicht bemühen, um Zusammenhänge zu finden, zu deuten und zu deuteln, Moritz Götze begünstigt den direkten Effekt. Flächig und feist die Farben, klar die Symbole und abgebildeten Objekte. Seine Bilder sind direkt, sofort sind wir von ihnen eingenommen und lassen uns ansprechen von Geschichten, wie sie z.B. der „Ritter“ genannte Clown erzählt, der in seiner grün-gestreiften Hose waghalsig auf dem Rücken eines Pferdes balanciert, die Brusthaare ob der Anstrengung einzeln aufgebläht, und aus dessen Kopf, in seinem Kopf, die ganze Welt quillt: Quer schießt die Rakete, darüber türmen sich Hochhausgebilde, Fernseher und Bäume. Eine turbulente Welt im Kopf, wie sie dem Maler durch denselben schießt. Was in seinen besten Momenten als Emaille-Schnitt an die Wand geklebtes, riesenformatiges Erwachsenenamüsement daherkommt und uns in ferne Kinderwelten zurückversetzt, das begnügt sich an anderer Stelle mit oberflächlich reduzierter Selbstbelustigung. Aber auch die hat ja ihre Berechtigung. Gerade und vor allem in unserer Arbeitslosen- und Trostlosigkeits-Welt negativer Wachstumsprognosen suchen wir Seelen-Balsam und finden ihn bei ihm. Nicht so bei seinem Ausstellungskollegen Rüdiger Giebler. Diese Arbeiten wirken zurückgenommener, man muss auch die Stufen hochsteigen, um zu seinen Werken zu gelangen, er ist längst nicht so laut wie sein Gefährte. Aber er ist. Ganz und gar. Er zeigt uns, wie in „Heimat“, was denn unsere Welt sei. Erkennen kann man sie, die Gartenzäune, die Psychozäune, die Beschränkungen, die zeternden Weiber („Nachbarinnen“). Man muss aber nicht. Wie in „Paare“, wo zwei händchenhaltend durch eine giftgrüne Umgebung latschen, in der die Deutschlandfähnchen hochgehalten werden. Man könnte sie für frisch Verliebte halten, sähe man nicht die verknotetet verkrampfte Geste, mit der sie ihre Fremdheit zu kaschieren suchen. Die des-Wanderns-ist-des-Müllers-Lust-Hüte tun ein übriges, um sofort die enge deutsche Geistesgeschichte ins Gedächtnis der verlöschenden Spaßgesellschaft zu holen. So kann das funktionieren: die leichte Kunst des Moritz Götze mit der zurückhaltenderen, kritischen Weltsicht von Rüdiger Giebler zu kombinieren, das macht Sinn. Es hebt sich nicht etwa gegenseitig auf, sondern verstärkt, kontrastiert, pointiert. Und lohnt sich.
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