Von Undine Zimmer: Ritter der Häkelnadel
Premiere am Hans Otto Theater: Parzival setzt auf bunte Kostüme und viele Gags
Stand:
„Wie kann man nur so schön sein und doch so dumm?“ Diesen Satz muss der weltfremde Parzival immer wieder auf seinem Weg in die Kreise der Ritter und Tafelrunden hören. Seine Dummheit besteht darin, Ratschläge zu befolgen, ohne ihren Inhalt zu verstehen. So glaubt er, dass er ein Ritter wird, indem er sich die Rüstung eines anderen zu Eigen macht.
Bunt, jugendlich und verspielt inszeniert Isabel Osthues den Parzival von Lukas Bärfuss, der am Freitagabend in der Reithalle des Hans Otto Theaters Premiere hatte. Parzival ist eine Komödie geworden. Tölpel sind sie alle, Ritter wie Bauern und Könige. Nur die leidenden Frauen, Parzivals Mutter Herzeloyde, die trauernde Sigune und die fahle Conduireamour, erinnern an die epische Ernsthaftigkeit der mittelalterlichen Textvorlage von Wolfram Eschenbach.
„Nichts“ schreibt Parzivals Mutter zu Beginn des Stücks mit weißer Kreide auf den schwarzen Bühnenboden. Eben ist sie mit ihrem Sohn und zwei Begleitern durch einen Wald aus silbernen Stoffstreifen gekrochen. Hier will sie bleiben, denn „nichts“ soll ihren Sohn Parzival (Julian Trostorf) in die Welt locken, die sie voller Abscheu für das Rittertum verlassen hat. Verkörpert von vier Schauspielerinnen, in roten Kleidern mit weißer Halskrause, verhätschelt die achtarmige Mutter ihren triebgesteuerten Sohn. Nur Hezeloydes abgelegenes Paradies ist kein friedlicher Ort. Als der Gesang eines Vogels Parzivals Sehnsucht weckt, befielt sie, alle Vögel zu töten. Doch er verlässt sie dennoch, um Ritter zu werden und bringt alle, die ihm bei seinen Abenteuern begegnen mit seiner Unwissenheit und seinen Fragen zur Weißglut. „Sei endlich still“ wird ihm geheißen. Bis Parzival sich durch angelerntes Schweigen schuldig macht. Eine simple Frage wäre es gewesen, die den leidenden König Anfortas hätte erlösen können. „Immer wenn man etwas gelernt hat, gilt es schon nicht mehr“, klagt Parzival, als er davon erfährt. Er zieht durch die Welt und versucht, seine Fehler wieder gut zu machen, bis er Anfortas wiederfindet.
Regisseurin Isabel Osthues ließ das Ensemble aus jungen Schauspielern der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Babelsberg besonders die komischen Seiten des Stücks hervorheben. Dafür liefert der lakonische Witz in Lukas Bärfuss verkürzten Sätzen die passende Textvorlage. Die acht Schauspieler wechseln flexibel zwischen ihren 37 Rollen. Nicht immer ist auf den ersten Blick erkennbar, wer wen spielt. Jede Figur, jeder Ort hat einen eigenen Habitus, einen anderen Ton. Einfallsreich und raffiniert sind die Gewänder aus Goldfolie und der Wald aus silbernen Textilbahnen gestaltet. Eine rote Taucherbrille wird zum Ritterhelm und ein T-Shirt mit dem Aufdruck einer Comicsprechblase Parzivals Narrenkostüm. Feingliedrig und leicht unterstreichen auch die gehäkelten Ritterrüstungen das Spielerische dieser Inszenierung. An Arturs Tafelrunde schubsen sich die Ritter gegenseitig von der Tischkante. Dem Publikum gefällt es, gelacht wird mehr als einmal an diesem Abend.
Nicht nur Parzivals Narren-T-Shirt erinnert an einen Zeichentrickfilm. Als Parzival den roten Ritter Ither ersticht, will er unbedingt das Weiße in seinen Augen sehen, bevor dieser stirbt. Wie ein Kind, das versunken in die Welt seines Videospiels den Wert des Lebens nicht erkennen kann, sondern sich an den Effekten erfreut. Kurz zuvor hätte Parzival seinen Mord noch für unmöglich gehalten: „Ritter töten Ritter? Das ist ja so, als ob meine Hirsche Hirsche töten würden!“ In den folgenden Kämpfen wird er zum unbesiegbaren Superhelden, der seine Gegner durch die Gegend wirft. Was auf der Bühne nur angedeutet wird, vervollständigt die Phantasie. Die unterlegte Musik, die aus einem Actionfilm stammen könnte, lässt keinen Zweifel daran aufkommen, was passiert.
Aus dem naiven und rohen Draufgänger Parzival wird in der zweiten Hälfte des Stückes ein unlustiger Kampfesbruder. Er will nur noch seine Ruhe haben. Das Ende kommt versöhnlich und unvermittelt, weil man eben am Ende der Geschichte angekommen ist.
Parzival erfüllt an Anfortas seine letzte Pflicht, als er ihm endlich die erlösende Frage stellt. Sie fallen sich in die Arme. Vorhang. Wer erlöst hier eigentlich wen?
So tritt in Isabel Osthues Inszenierung die philosophische Dimension von Parzivals Unverständnis der Welt und ihren Regeln in den Hintergrund. Im Vordergrund steht der Spaß am Spiel.
„Parzival“ wieder am 21. und 26. Januar, 19.30 Uhr, in der Reithalle, Schiffbauergasse. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 98 11 8
, ine Zimmer
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