Kultur: Rock“n“Roll at its best
Steinschlag feiern ihr 20-jähriges Jubiläum
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Die wilden Zeiten sind lange vorbei. Zumindest was das Drumherum betrifft. Und auch die Frechheiten sind nicht mehr nötig.
Morgen Abend wird der Lindenpark kochen. Diese Aussage kann schon jetzt getroffen werden. Es sei denn, höhere Kräfte verhindern das Konzert von Steinschlag zum 20-jährigen Bühnenjubiläum. Gut, Bühnenjubiläum klingt ein wenig steif für das, was morgen geboten wird: Rock“n“Roll at its best. Dieses schweißtreibende und hormonpeitschende Zeug der Rolling Stones. Zwei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug und Gesang, das sind die Zutaten für einen Höllenritt, der einen auf die Knie zwingt und um mehr betteln lässt. Und Steinschlag werden sich da nicht lange bitten lassen.
Angefangen hat das alles im Hundeverein in Werder. Am 18. Juli 1987 war das. Da hatten Detlef Gottschling und Henryk Körbs ein paar Musiker zusammengetrommelt, um mit einem Session-Projekt einer Band zu huldigen, deren Musik für sie so wichtig war: Die Rolling Stones, die damals, 1987, ihr 25-jähriges Bandjubiläum feierten. Zwei Wochen probten die Musiker, 20 Titel der Stones wurden eingespielt. Zur Party ins Vereinslokal kamen an die 100 Besucher. Das Volk tobte, denn was auf der improvisierten Bühne gespielt wurde, brannte sich bis unter die Haut: Rock“n“Roll at its best! Und als die 20 Titel durchgespielt waren, tobte das Volk noch mehr. Die 20 Titel wurden noch einmal gespielt. Dann noch einmal, bis zum nächsten Morgen. Und danach wussten alle, dass es weitergehen musste, dass diese Musiker nicht nur für ein einmaliges Session-Projekt zusammen gekommen waren.
Beim nächtlichen Nacktbaden im Plessower See einigten sie sich wenig später auf den Bandname Steinschlag, denn dass sie Stoneslieder covern, sollte schon am Name erkannt werden. Und dann ging es los oder besser gesagt weiter mit den Frechheiten. Die Konzerte von Steinschlag waren immer 100 Prozent purer Rock“n“Roll à la Rolling Stones. An die in der DDR geltenden Regel, bei einem Auftritt 60 Prozent Musik aus dem eigenen Land und nur maximal 40 Prozent aus dem Westen zu spielen, hielten sich die Musiker nicht. Und auch die notwendige Einstufung, um überhaupt auftreten zu dürfen, hatten Steinschlag nie. Sie haben einfach gespielt, bis zu 70 Konzerte im Jahr. Und keiner hat nach ihrer Einstufung gefragt. Nicht einmal als sie zum Jahreswechsel 1988/89 für zwei Wochen in die Sowjetunion reisten, um an der Erdgastrasse am Ural für Kultur im Schichtrhythmus zu sorgen. Um 7 Uhr wurde der Nachtschicht der Rock“n“Roll um die Ohren geknallt, um 20 Uhr der Tagschicht. Das war das erste und letzte Mal, dass Musik für Steinschlag zur Akkordarbeit wurde.
Bis heute ist Steinschlag ein Freizeitprojekt geblieben. Nur sind die Musiker in den vergangenen Jahren etwas ruhiger geworden. Bis zu vier Auftritte hat die Band im Jahr, denn es geht nicht darum, mit der Musik Geld zu verdienen. Es geht um das gute Gefühl, das nur der Rock“n“Roll auf der Bühne vermitteln kann. Ein paar simple, manchmal aggressive Riffs und schon fängt das Blut an stärker zu zirkulieren. So einfach ist das, wenn die Chemie in der Band stimmt. Bei Steinschlag war das irgendwie immer der Fall. Haben die Musiker früher noch geprobt, machen sie das heute nicht mehr. Nach all den Jahren sind ihnen die Stoneslieder in Fleisch und Blut übergegangen. Dabei haben sie sich nie als reine Coverband verstanden, die Ton für Ton die Rolling Stones nachspielen. Sie haben diese Lieder immer zu etwas Eigenem gemacht und manchmal gestaunt, wenn sie das Original wieder gehört haben. Die Unterschiede sind deutlich, aber es klingt nach dem Rock“n“Roll der Rolling Stones.
Morgen werden Steinschlag das wieder unter Beweis stellen. Die Rolling Stones und das eigene Jubiläum mit einer großen Show, geschmückten Saal und zahlreichen Gastmusikern zelebrieren. Noch einmal viel Drumherum wie in den wilden Zeiten. Doch worauf es ankommt, ist die Musik. Die wird brennen, garantiert. Rock“n“Roll at its best! Dirk Becker
„20 Jahre Steinschlag“ am Samstag, 1. September, ab 21 Uhr im Lindenpark. Der Eintritt an der Abendkasse kostet 16 Euro
Dirk Becker
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