Kultur: Rollenspiel
Subway to Sally mit Nackt II im Hans Otto Theater
Stand:
Ein großer Baum stand mitten auf der Bühne. Seine Wurzeln wurden zu Sitzen für die Musiker und über ihren Köpfen auf einem kahlen Ast unterhielten sich leise zwei Krähen: Eine Lichtung in einem Trollwald war das Szenenbild, vor dem Subway to Sally am Dienstag im Hans Otto Theater auftraten. „Nackt II“ stand auf dem Programm. Schon die erste „Nackt“-Akustik-Tour vor ein paar Jahren, inklusive DVD, hatte gut funktioniert. Jetzt also Nackt II, wieder mit DVD. „Hallo Heimat“, rief Sänger Eric Fish unter seinen weißen Zotteln in die Menge und wurde stürmisch begrüßt. An diesem Abend wurde aus Metal höfische Bardenmusik, mittelalterliches Metal-Rock-Theater. Wo man schon mal in den schicken Kulissen stand, hätten auch noch ein paar Reigentänzer gut gepasst. Doch das Bühnenbild war für die Mitglieder der Band genug. Man trug das übliche „dunkel“ und wer konnte mit langen Haaren. Das Publikum ebenso.
Wer sich bei den Worten „Nackt“ und „Akustik-Konzert“ eher auf etwas ruhigeres eingestellt hatte, wurde enttäuscht. Das konnte natürlich auch nur einem Nicht-Eingeweihten passieren, denn von den Fans wäre wohl keiner auf so eine Idee gekommen. Und keiner von ihnen hätte sich je gefragt, wie laut die Band denn bitteschön klinge, wenn sie mal nicht akustisch spielt. Es wummerte und dröhnte ordentlich im Theatersaal. Doch das war einigen noch nicht genug. „Es ist einfach zu klein“, sagte eine Besucherin draußen vor dem Konzertsaal. „Tag und Nacht schrei ich mich heiser“ sang Eric Fish drinnen.
Die Musik von Subway to Sally ist eine eigenwillige Mischung von Elementen, die nicht ganz zusammenzupassen scheinen: Irische Folklore, Metal, Rock und ein bisschen Schunkel-Schlager. Am Fuße des Baumes saß Ingo Hampf, der Mann mit der Laute. Richtiger gesagt mit den vier bis fünf verschiedenen Lauten, denn bei jedem Stück wechselte er sein Instrument. Er war das musikalische Zentrum des Abends, gab die Melodien vor und spielte wie eine zweite Gesangsstimme neben dem Troubadour Eric Fish. Um diese beiden herum agierten zwei Schlagzeuger und sechs weitere Saiteninstrumente.
Was ist das für eine Welt, fragte man sich, in die Subway to Sally ihre Fans mitnehmen? Während das ganze Drumherum möglichst gruftig nach Totenköpfen, Mittelalter und nach schwarzem Leder riechen soll, malen die Texte Bilder, kitschig wie Tattoorosen. Die Geschichten erzählen im lyrischen Ton von bleicher Haut, dürren Frauen, blutroten Rosen und teerschwarzen Nächten. Ein bisschen Grusel, aber eigentlich etwas für Softies. Oder doch nicht? Ist das Höfische, der dunkle Mittelalterwald und die Lautenmusik nur eine Pose, um genüsslich so rasselnde Worte wie Verrat, Rache, Hure oder Engelshasser mal ganz laut zusammen mit Vielen sagen zu dürfen? Worte, die man sonst nicht ohne Weiteres benutzen kann. Warum singt ein ganzer Saal voller Inbrunst Texte wie „Im Weizenfeld da trieb man ihr die Unschuld aus“? Fabeln, Parabeln? Wofür? Es wird betrogen, verkauft, verraten, aber gegen welche dunklen Mächte wehrt man sich? Vielleicht gibt es da auch keinen Bezug zu einer heutigen Wirklichkeit und es geht nur um den Traum von Ritterburgen, Naturgewalten und Eisblumen im Mondlicht. Musikalisch klangen Subway to Sally sauber arrangiert – und fidel. Sorgsam abgestimmt ist auch das Flackern des Lichts in Subway to Sallys Lieblingsfarben: blutrot und mondbleiches Silber. Wirklich dämonisch scheinen aber weder Band noch Publikum. Es wird geschunkelt, mitgesungen und ein bisschen gehopst. Also doch, alles nur harmloses Rollenspiel. Undine Zimmer
, ine Zimmer
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