Kultur: Rom? Genehmigt!
Gartenlesung in der Hegelallee mit Sigrid Grabner
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Uranias Gartenlesungen kann man von außen leicht daran erkennen, dass an einem unverhofften Ort massenhaft Fahrräder auftauchen. So war es am Freitag in der Hegelallee 2, gleich neben dem Thiemann-Haus, welches mit seinem südlich konzipierten Garten, zur Ebert-Straße hin, einen „Traum von Rom“ assoziiert. Das jammervolle Revers sieht man von der eher bescheide-nen Hofseite der Familie Sabine und Rüdiger Gohr aus.
Den Hausherren werden viele noch vom alten Standort des Potsdamer Antiquariates kennen, oder als freundlichen Verkäufer der Stiftungsbuchhandlung. Nunmehr im Ruhestand, stellte er seinen „aus einer Wüstenei entstandenen“ Schattengarten für eine frühabendliche Lesung zur Verfügung, die man so leicht nicht vergisst. Sigrid Grabner nämlich trug mehrere Kapitel ihres neuen Buches „Jahrgang 42“ vor, eine Autobiographie mit reichen Bezügen zu Potsdam.
Weil es im Stadtzentrum aber immer laut zugeht, organisierte Renate Bormann diesmal ein schönes Konzert für zwei Querflöten, ausgeführt von Christiane Hoch, Kleinmachnow, und Hannes Immelmann, im Hauptberuf kein Musiker. Sie spielten mit viel Feingefühl Werke von Telemann und dem ganz zu Unrecht vergessenen Friedrich Kuhlau, der von 1776 bis 1832 lebte.
Die Lektüre selbst war für den Anlass wie maßgeschneidert, handelten die sehr überzeugend vorgetragenen Kapitel doch selbst von Gärten. „Alles Leben“, sagt die in Nordböhmen geborene Autorin, „ist Begegnung, und in den Begegnungen mit anderen erkennt man sich selbst“. So ging es ihr mit der zur engen Freundin gewordenen Ruth Bork, deren Bekanntschaft sie durch eine Annonce machte. Die Potsdamerin hatte in dem Moment „Katzen zu verschenken“, als eine Seuche die Zahl der ihren minderte. Die man der Schriftstellerin mitgab, drängte unbedingt zurück. Es stellte sich heraus, dass sich das Katzenkind von seiner sterbenden Mutter verabschieden wollte.
In Ruth Borks Garten fanden dann die fruchtbaren Gespräche über Gott und die Welt statt. Sätze wie „Die Seele lässt sich nicht einsperren, sie gehört Gott“ hatten die bekennende Marxistin damals sehr beeindruckt. Zu Eva Foerster fand sie trotz des bleibenden Sie“s gleichfalls ein schwesterliches Herzensverhältnis, wie auch ihre Begegnung mit Emmi Bonhoeffer ganz auf Gegenseitigkeit ausgerichtet war. Aber davon erzählt ja die gerade veröffentlichte Monographie der Autorin.
Der eindrucksvoll beschriebene Part „Traum von Rom“, wo sich Raum und Zeit ganz rasch vergessen lassen, könnte eine Erzählung für sich sein: Sigrid Grabner erfuhr im Schlaf, dass sie mit ihrem Gatten eine Reise dorthin beantragt hätte. Er endete mit einem Wort der Offiziellen: „Genehmigt“. Einige Zeit später erfüllte sich diese Sehnsucht im Borkschen Haus durch wunderbare Fügung. Sie bekam auf ihren Antrag hin ein Schreiben: „Genehmigt!“ – und kniete so mit etwas Heimlichkeit zum ersten Male vor einer Madonna.
Der letzte Text, vor den abschließenden „Alten ungarischen Tänzen“ von Ferenc Farkas, berichtete, wie sie in Potsdam den Fall der Mauer erlebte. Sie hatte den Bau dereinst verteidigt, am 7. Oktober 1989 gehörte sie zu den Demonstranten auf dem „Broadway“. Ihre einfühlsamen Frauen-Porträts, ja die ganze Anlage von „Jahrgang 42“ überzeugten die Urania-Versammlung sofort. In der Pause wurden die bereitgestellten Bücher fast weggekauft, man stand zum Signieren Schlange. Es war ein ganz wunderbarer Abend. Gerold Paul
Gerold Paul
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