Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2015: Rosenkranz-Sonaten im Palmensaal Orangerie Sanssouci
"Musik und Gärten" - so lautet das Motto der diesjährigen Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, die vom 12. bis zu 28. Juni stattfinden. Carlos Solare über die Rosenkranz-Sonaten am 19. und 20. Juni.
Stand:
Der Zyklus von fünfzehn Sonaten über die Mysterien des Rosenkranzes von Heinrich Ignaz Franz Biber ist eines der monumentalsten Werke der Violinliteratur. Zwar wissen wir wenig darüber, wann und für welchen Zweck ihn der Komponist verfasste, aber gewiss hat er dafür seine ganze Erfindungskraft in Bewegung gesetzt. Mit ihren überladenen Affekten gleicht die Komposition einer üppigen Barockkirche aus dem süddeutschen-österreichischen Raum. Aber schon allein die Tatsache, dass Biber für jede Sonate eine andere Stimmung der Violine verlangt, macht eine Aufführung des kompletten Zyklus zu einer intellektuellen Herausforderung für den Solisten, die mit den kompliziertesten Sudoku-Aufgaben verglichen werden könnte. Eine Saite wird um eine große Terz oder gar eine Quarte höher, dafür zwei andere um einen Ton tiefer gestimmt. Wer soll da noch den Überblick behalten?
Und dann die Logistik: Ein einziges Instrument kann unmöglich alle paar Minuten umgestimmt werden, und in derart unterschiedliche Intervallkonstellationen auch noch. Deshalb reiste Manfredo Kraemer mit zwei Doppelgeigenkästen an und richtete seine vier Violinen in einer Form ein, die ihm die Aufführung des Zyklus an zwei Abenden erlaubte. Nach jeder Sonate stimmte er die Geige um und legte sie beiseite, damit sich die Saiten in der neuen Stimmung setzen konnten, während er auf einem anderen Instrument die nächste Sonate spielte.
Durch das Hören der Werke im Gesamtzusammenhang wurde der Sinn von Bibers ungewöhnlichen Stimmvorgaben deutlich. Nicht nur, dass durch sie Griffe und Akkorde ermöglicht werden, die auf einer normal gestimmten Geige unspielbar wären. Da sich jede Stimmung auf die Tonart des jeweiligen Stückes bezieht, erhält das Instrument außerdem eine einmalige Resonanz, und sogar seine Klangfarbe ändert sich von Sonate zu Sonate.
Die Leistung von Manfredo Kraemer in technischer und musikalischer Hinsicht kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Biber war einer der größten Violinvirtuosen seiner Zeit, und seine Kompositionen – sogar diejenige, in denen er sich mit der Normalstimmung der Geige begnügt – fordern den Interpreten bis an die Grenzen. Läufe, Doppelgriffe, Akkorden, Staccato-Ketten, alles kommt da vor, und alles wurde hier souverän bewältigt. Dazu legte Kraemer eine interpretatorische Fantasie an den Tag, die der schöpferischen Fantasie des Komponisten nicht nachstand. Vielleicht angeregt durch die für den Rosenkranz typischen Wiederholungen, wählte Biber oft die Form von Variationen über einen Ostinato-Bass. Kraemer gestaltete die zahlreichen Variationssätze mit größter Spielfreude und baute sogar einige zusätzliche Tricks wie Linke-Hand-Pizzicato ein.
Obwohl die Rosenkranz-Sonaten gelegentlich Nachahmungen von Effekten wie Peitschenhiebe, Hammerschläge und dergleichen enthalten, beschränken sie sich keineswegs auf bloße Tonmalerei. Sie schaffen es jedoch immer, die passende Atmosphäre der verschiedenen Episoden im Leben Marias und Jesu zu evozieren. Die angedeuteten Fanfaren, die die Auferstehung des Herrn ankündigen, ließen mich sogar an die Ferntrompeten in Mahlers Zweiter Symphonie denken!
Um dem Hauptakteur eine Verschnaufpause zu ermöglichen, rückten an jedem der beiden Konzerte seine Continuo-Kollegen einmal in das Rampenlicht. Der Cellist Balász Máté spielte am ersten Abend die „Canzona ottava“ von Frescobaldi und erklärte ihren Beinamen – „L’Ambitiosa“ – damit, dass es sich dabei um eines der ersten solistischen Werke für ein Instrument in Bass-Lage handelt (diese hatten in der Zeit nur Begleitfunktion). Am zweiten Abend spielte Luca Guglielmi eine Passacaglia für Cembalo von Bibers Salzburger Kollege, Georg Muffat.
Diese Kritik entstand in Zusammenarbeit mit unserem Partner Musikfestspiele Potsdam Sanssouci.
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Carlos Solare
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