Villa Schöningen mit vielgestaltiger Kunst: Rote Nächte und Duschhäute
„Far beyond (weit dahinter)“ ist der Titel der aktuellen Ausstellung in der Villa Schöningen, aber so weit weg sind die Bilder und Objekte gar nicht. Einiges ist direkt aus dem Leben der Künstler gegriffen.
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„Far beyond (weit dahinter)“ ist der Titel der aktuellen Ausstellung in der Villa Schöningen, aber so weit weg sind die Bilder und Objekte gar nicht. Einiges ist direkt aus dem Leben der Künstler gegriffen. Die Dinge, die sie unmittelbar umgeben, interessieren Stephanie Keitz. „Das Haus, der Raum in dem ich lebe, das kann unsere zweite Haut sein“, so Keitz.
Eine besonders unmittelbare Nähe zwischen Körper und Raum stelle sich beim Duschen, im Bad ein. Daher schuf sie ein Abbild ihres Duschraumes in Los Angeles. Mit Latex hat sie die Form des Raumes abgenommen und nun eine Skulptur davon in den Ausstellungsraum gelegt. Die sieht aus wie aus Bronze gegossen, ist aber tatsächlich ein leichtes, am Boden liegendes Gebilde, gefüllt mit einem Ballon. Auch bei ihrer zweiten plastischen Arbeit ließ sie sich vom Ort inspirieren. „Dass die Villa früher ein Kinderwochenheim war, sieht man nur noch an wenigen Stellen“, bemerkt Keitz. Das Mosaik des Bodens aber zeige noch Spuren aus früheren Zeiten. Als sensibles, hautfarbenes Relief spannt sich nun eine Latexhülle des Mosaiks über die Wand.
Die Vergangenheit beschäftigt auch Andreas Mühe. „Hitler“ ist der Titel seines Fotos von einem athletischen, offensichtlich als Arier inszenierten, nackten Mann. „Die Macht, ihre Inszenierung und ihr Missbrauch interessieren mich“, so Mühe. Mit dem Foto bewegt er sich geschickt auf dem schmalen Grad zwischen Faszination und Dekonstruktion des Heldenmythos. Die Fragwürdigkeit von Militarismus und Soldatentum intoniert er auch mit seiner wandfüllenden Fotoarbeit, auf der Spielzeugsoldaten trommeln und Fahnen schwenken und ein Schäferhund davonrennt.
Zu den Arbeiten von Mühe und Keitz kontrastieren Werke, die eher dem Motto „ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“ entstammen. „Soko Bonn“ betitelt Christian Hans Albert Hoosen ein großes Wandbild. Allerlei muntere Comicfiguren wirbeln bunt durcheinander wie in einem Kaspertheater, durch das gerade ein Taifun gerauscht ist. Hoosen ist der Initiator der Ausstellung. Konzepte seien nicht so sein Ding, meint Hoosen, er hätte die Künstler der Ausstellung eher emotional ausgewählt. Ein persönlicher Kontakt der Künstlerfreunde und der Galeristin war die Initialzündung. Hoosen war sich nicht ganz sicher, ob das Ausstellungskonzept funktionieren würde, ist nun aber ganz zufrieden mit den eingeladenen Freunden: “Sie haben sich nicht geprügelt. Es war wie eine Klassenfahrt nach Potsdam.“
Trotz der sehr unterschiedlichen Arbeiten ist es eine recht schöne Ausstellung geworden, die nicht zuletzt die weite Spannbreite der Gegenwartskunst widerspiegelt. Aber auch die Antike hat ihren Platz, wenn auch nur auf Postkarten. Max Friesinger hat bei seinen Ausstellungen in aller Welt Postkarten der Museen und Kunsthäuser gesammelt. Er zeigt die Karten aufgereiht in einem Raster an der Wand und kombiniert die Fotos jeweils mit einem kleineren Bild, das auf einen Magneten gedruckt ist und die Assemblage an der Wand befestigt. Auf den Fotos finden sich antike Skulpturen neben dem diamantenen Totenkopf von Damien Hirst. Einen schönen Ausflug in den Expressionismus unternimmt Armin Boehm mit seinem dunkel glühenden Bild über „die fast rote Nacht“. Der wild wuchernde Blumenstrauß darauf ist aus Stoffresten geklebt, daneben träumt eine in sich versunkene, hübsche, junge Frau.
Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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