Kultur: Rotes Glück
Deutsch-chinesisches Frühlingsfest zelebriert
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Kaum haben Luftschlangen und Faschingskostüme für dieses Jahr ausgedient, wird im fernen China ausgelassen gefeiert. Der Beginn der christlichen Fastenzeit und des traditionellen chinesischen Neujahrsfestes fielen am Mittwoch auf den selben Tag. Auch in Potsdam wurde am Tag darauf das frisch angebrochene chinesische Jahr begrüßt, das dem traditionellen Mondkalender nach nun unter dem Tierkreiszeichen der Ratte steht.
Gastgeber des deutsch-chinesischen Frühlingsfestes war der in Potsdam ansässige Teehausgalerie-Verein. Vor einem Jahr ins Leben gerufen, engagiert sich der Verein für einen lebendigen Künstler- und Kulturaustausch zwischen Deutschen und Chinesen. Das chinesische Frühlingsfest zum traditionellen Jahresbeginn wurde in der Hans Thoma-Straße 13 unter Beisein zahlreicher Gäste in geselliger Runde sinnenfroh gefeiert.
Ein chinesisches Pärchen bereitet den ganzen Abend über hingebungsvoll Jiaozi zu. Das traditionelle Gericht steht insbesondere zum Frühlingsfest fest auf dem Speisezettel und ist überdies in den Rezeptsammlungen der Familien in vielen Varianten verankert. Die Jiaozi erinnern stark an Pelmeni: der fein ausgerollte Teig wird mit Fleisch oder Gemüse gefüllt und als aromatische Teigtasche nur für wenige Minuten im kochendheißen Wasser gebrüht. Auf einem kleinen Tisch gegenüber improvisiert Anette Mertens mit einfachen Mitteln eine Teezeremonie. Nachdem sie die hierbei unentbehrliche dreibeinige Kröte mit einem kräftigen Schwall fermentierten Tees übergossen hat, erklärt die Vorsitzende des gastgebenden Vereins, was es mit der „Mondkröte“ alles so auf sich hat. Hoffnungsträger für ein langes Leben – und auch für Geldsegen – ist man gut beraten, sie bei jeder Teezeremonie gebührend mit zu bedenken. Mit leisem Stolz präsentiert die passionierte Sinologin im nächsten Moment einen schmuckvoll verpackten Ballen gepressten Tee. Je älter desto wertvoller: In China werden solche Teepakete mit zunehmendem Alter wie bei uns kostbarer Wein oder gar wie gut gehende Aktien gehandelt.
Ying Hu, seit 2001 an der Universität Potsdam Gastdozent für die chinesische Sprache, demonstriert mit kalligraphischem Pinsel schwungvoll die Tradition der zum Frühlingsfest ausgehängten Glückssprüche. Zur Begrüßung des neuen chinesischen Jahres wird immer ein Paar dieser aus vier Schriftzeichen bestehenden Sprüche außen an die Tür gehängt. Scherenschnitte aus rotem Papier gehören ebenso zum traditionellen Festtagsschmuck wie rote Lampions und die in kleinen roten Tüten verpackten Geldgeschenke an die Kinder. Die Farbe Rot ist für die Chinesen die Farbe des Glücks. An den drei offiziellen Feiertagen und noch weit darüber hinaus versinkt die moderne Industrienation in einem Meer roter Farbsymbole und erlebt in den lang anhaltenden, betont familienbezogenen Feierlichkeiten einen wahren Ausnahmezustand.
Die sehenswerte filmische Dokumentation über die Sitten und Bräuche rund um das chinesische Frühjahrsfest geht bedauerlicherweise im Trubel der anwesenden Gäste akustisch fast unter. Kaum besser ergeht es den beiden Künstlerinnen Annette Strathoff und Dana Bennewitz bei ihrem Versuch, ihren dreiwöchigen Aufenthalt in China im letzten Herbst (die PNN berichteten) zu präsentieren. An diesem Abend wird vor allem gefeiert: zwischen den Freunden des Vereins und seinen Gästen, zu denen sowohl der China Verein Potsdam als auch bei Ying Hu lernende Sprachstudenten der Uni Potsdam gehören. Es ist ein Fest der Begegnung, der für die Gastgeber auch unter dem Zeichen der Hoffnung steht, hier in der Hans Thoma-Straße absehbar über ein festes Vereins-Refugium zu verfügen. Almut Andreae
Almut Andreae
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