Kultur: Routiniert
Franz Lörch in der Erlöserkirche
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Wollte er unbedingt noch den Abendzug nach München bekommen? Eine bloße Vermutung, gewiss. Aber durchaus begründet. Was traditionell und tatsächlich eine Orgelstunde lang dauert, hat der professorale isarstädtische Konzertorganist Franz Lörch bei seinem Orgelsommer-Auftritt am Mittwoch in der Erlöserkirche an der Schuke-Orgel in 45 Minuten erledigt. Und dabei zehn Piecen zum Besten gegeben. Die dauerten im Durchschnitt nicht länger als fünf Minuten. Häppchenware also, aus dem barocken bis modernen Gemischtwarenlager zusammengesucht. Mit Glanz und Gloria des vollen Orgelwerks stürzt er sich gleich zu Beginn in das Spielvergnügen von Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge C-Dur BWV 545. Das Vorspiel erklingt kompakt und undifferenziert, die Fuge eiligst voranschreitend, im süffigen Sound. Klangüppig auch zwei nachfolgende Choralvorspiele von Dietrich Buxtehude, in denen der Heilige Geist sowohl bittend als auch fordernd beschworen wird. Zum einen mit weichen Zungenstimmen und starkem Tremolo, zum anderen per klangscharfer Mixtur.
Dann wieder Bach, in dessen G-Dur-Fantasie BWV 572 der Organist auf sehr routinierte Weise seine virtuose Fingerfertigkeit effektvoll vorführt. Durchweg im Forte und zupackend zieht er dem Stück scharfe Prinzipalregister und eine ziemlich martialisch klingende Trompetenstimme. Kontrastierende Farbwechsel finden nicht statt, was auf Dauer ermüdend wirkt. Im Eifer des Gefechts sind die französischen Satzbezeichnungen in ihrem Sinn- und Ausdrucksgehalt kaum zu unterscheiden. Streng und eindringlich erklingt die Skizze eines Mozartschen Fugato über den Choral „Ach Gott vom Himmel sieh darein“ KV Anh. 78, den der Komponist als Entwurf für den Auftritt der zwei Geharnischten in seiner „Zauberflöte“ verwendet hat. Abrupt folgt mit „Signum“, ein für den Organisten geschriebenes Stück von Augustinus Franz Kropfreiter, der Sprung ins kalte, mit avantgardistischen Cluster-Zusätzen versehene Klangwasser. Akkordische Aufbrandungen mit echoartigen Nachwirkungen, celestaähnliche Diskantstimmen und eine Prise Dissonanzen aus dem Hause Messiaen runden die Betrachtungen über ein verkürztes Unterschriftszeichen, eben jenes Signum, ab. In ähnlicher Machart und mit toccatischem Sturmgebraus versehen zeigt sich auch die Fantasie über den Choral „O Jesus Christ, meines Lebens Licht“ von Roland Leitner-Mayer.
Dazwischen sorgen zwei romantische Schmachtfetzen für Beruhigung der gereizten Sinne. Sanft säuselnder, einlullender Engelgesang zeichnet das Stück „In Paradisum“ von Theodore Dubois aus, während die Bearbeitung von Camille Saint-Saëns‘ Ballerinenhit „Le Cygne“ (Der Schwan) die Seele gefühlvoll zu streicheln vermag. Als krönenden Abschluss reicht Franz Lörch die motorisch vorwärtsdrängende Toccata aus der „Suite gothique“ von Leon Boëllmann dar: wirkungsvoll, klangklar, in anwachsender Lautstärke durch nach und nach gezogene Register bis hin zum pointierten Finale. Dass er insgesamt a bisserl g‘schlampert mit Artikulation und Phrasierung umgeht, interessiert die meisten Zuhörer nur wenig. Da er sehr publikumswirksam die Orgel zu schlagen versteht, gerät der Beifall anhaltend. Mit Bachs berühmten „Air“ und einem Gute-Laune-Gassenhauer verabschiedet sich der klangbrillante Routinier. Peter Buske
Nächstes Konzert am Mittwoch, dem 28. August, um 19.30 Uhr mit Matthias Jacob in der Friedenskirche
Peter Buske
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