Kultur: Rund um das Schenken
Senta Berger fand für ganz unterschiedliche Geschichten den rechten Ton
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Weihnachten ohne Weihnachtslieder? Was in Geschäften und Kaufhäusern hier zu Lande scheinbar undenkbar ist, macht Senta Berger möglich. Sie bestreitet eine musikalische Lesung mit dem Titel „Weihnachten mit Senta Berger“ ohne Weihnachtslieder. Zumindest ohne musikalische Version, denn Frau Berger zitiert das alte deutsche Weihnachtslied „Maria durch ein Dornwald ging“. Doch dies bleibt die einzige direkte Reminiszenz an den christlichen Ursprung des Weihnachtsfestes.
An diesem Abend geht es eher um das, was heutzutage bei diesem Anlass meist im Zentrum steht: das Austauschen von allerlei Geschenken. Mit ihrer Textauswahl rund um Weihnachten hat Senta Berger seit Jahren viel Erfolg. Auch beim Publikum im ausverkauften Nikolaisaal traf sie den Nerv. Was wohl nicht schwer war, bot ihre Lesung doch ein pluralistisch breites Spektrum von Ideen und Gedanken aller Art. Nach glücklichen Kindheitserinnerungen an märchenhafte Weihnachtsrituale in Bergers Heimatstadt Wien gab es einen Text von Alfred Polgar mit dem Titel „Das Kind“. Der Kritiker und unbestechliche Meister der spitzen Feder betrachtet darin das so genannte Wunder der Geburt des Menschen mit scharfsinniger Nüchternheit. Die desillusionierende Sichtweise von Polgars Text – für die Menschen findet er das Wort „Sträflinge des Lebens“ – blieb eine Ausnahme an diesem Abend.
Anschließend wurden der Tonfall milder, die Texte erbaulicher. Die Kurzgeschichte von O. Henry „Das Geschenk der Weisen“ spielt in New York und veredelt das aufopferungsvolle Kaufen von Geschenken für die Liebsten mit Bezügen zur Weihnachtsgeschichte – eine christliche Verbrämung des kapitalistischen Materialismus, die direkt aus „Reader“s Digest“ stammen könnte. Ungleich utopischer geht es in Oscar Wildes Kunstmärchen vom „eigensüchtigen Riesen“zu. Dieser erlangt das Glück nicht durch Opfer an den schnöden Mammon, sondern durch das Verschenken seines Herzens. Erst in der Selbstaufgabe findet der Riese das Paradies, wobei er geleitet wird von einem kleinen Jungen „mit den Wunden der Liebe“ an Füßen und Händen. In dieser schmerz- und kunstvollen Umdeutung der christlichen Botschaft wird der Riese zu einem Märtyrer der individuellen Liebe. Auf den Boden der Realität gelangen die Zuhörer mit dem handfest-ironischen „Märchen von denen, die auszogen, weil sie das Fürchten gelernt hatten.“ Die prägnante zeitgenössische Parabel erzählt von einem deutschen Weihnachtsfest ohne Ausländer – ohne ausländische Produkte, die nach all“ den feindlichen Parolen kurz entschlossen das Land verlassen. Schnell wird klar, dass Weihnachten ohne Rosinen, Kakao und Kaffee, Gewürze und Treibstoff einfach keinen Spaß macht.
Mit Astrid Lindgrens Erzählung „Pelle zieht aus“ führt Senta Berger klug zurück in die kleine Familie, wo die guten – wie auch schlechten – Gefühle als erstes wachsen und gedeihen. Die Kinder, die „Objekte“ der Erziehung, erweisen sich dabei einmal mehr als die eigentlichen Erzieher. Sie weisen den Erwachsenen den Weg zu mehr Verständnis und mehr Menschlichkeit. Für die so unterschiedlichen Erzählungen findet Senta Berger stets den rechten Ton und begeistert mit einfühlsamem und brillantem Vortrag.
Beeindruckend auch das Trio Lauschgold, klassische Musiker von Hause aus, die mit schmeichelnder mitreißender Weltmusik wunderbare Höhepunkte setzten. Die großartige Geigerin Martina Eisenreich spielt wie ein weiblicher Paganini, die nicht minder virtuose Harfenistin Evelyn Huber erweist sich als fingerfertige Jazzharfenistin, die in allen Musikstilen zu Hause ist und der Perkussionist Wolfgang Lohmeier bedient ein ganzes Sammelsurium von Schlag- und Klanginstrumenten mit rhythmischem Schwung und Präzision. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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