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Kultur: Rundgang durchs Stadtschloss

Veranstaltungsreihe im Kutschstall zum Wiedererstehen der Potsdamer Mitte

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Durch das kriegsbeschädigte und Anfang der 60er Jahre abgerissene Stadtschloss führte Dr. Burkhardt Göres, Schlösserdirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, unlängst anhand von historischen Fotografien und Texten. Das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) am Neuen Markt eröffnete damit eine Veranstaltungsreihe, mit der es das Wiedererstehen der historischen Mitte Potsdams begleiten will. Im nächsten Vortrag wird Thomas Wernicke über Abriss und Zerstörung des Knobelsdorff-Baus sprechen, die folgenden Themen hält sich HBPG-Direktor Gert Streidt offen. „Sie werden aktuell auf die Fortschritte bezogen, die es in der Entscheidungsfindung, der Planung und später im Baugeschehens zur Errichtung des Landtags auf dem Platz des Schlosses gibt“, verdeutlichte er gegenüber PNN.

Die Reihe hatte einen überaus erfolgreichen Start. Im übervollen Saal saßen nicht nur wie gewohnt Fachkundige, sondern vorwiegend „einfache“ Potsdamer, die sich die historische Mitte ihrer Stadt zurückwünschen. Davon zeugten ihre Fragen. Ob denn keine Möglichkeit bestehe, wenigstens einigen Räumen des Landtagsneubaus ursprüngliche Gestalt und Interieur des Schlosses zurückzugeben und sie museal zu nutzen? Das sei wenig wahrscheinlich, hänge aber von den Entscheidungsträgern ab, antwortete Göres. Mehrere deutsche Landtage, so in Hannover, Stuttgart und Saarbrücken, nutzten heute das einstige Residenzschloss, meist in modern eingerichteten Büros, in Stuttgart habe man aber die Repräsentativräume des Ministerpräsidenten der originalen Gestaltung angenähert.

Ähnlich reagierte der Schlösserdirektor auf die Frage, in welchem Umfang Originalteile des Außenbaus, die vor dem Abriss auf Initiative des DDR-Generalkonservators Prof. Ludwig Deiters geborgen oder beim Abriss des Ernst-Thälmann-Stadions wiedergefunden wurden, in den Neubau integriert werden sollen. Auch dies hänge von den Entscheidungen des Bauherren ab, doch zeige das Beispiel der Dresdener Frauenkirche, dass eine weitgehende Verwendung von Originalteilen möglich sei.

Ausgelöst worden waren diese Fragen, weil der Schlösserdirektor während des fiktiven Rundgangs immer wieder darauf hinweisen konnte, dass nicht nur Segmente der Fassaden und Außenskulpturen erhalten geblieben sind, sondern ebenso Teile der Innenausstattung von Raumdekorationen über Möbel und Gemälde bis hin zum golddurchwirkten Kaminschirm. Sie waren rechtzeitig ausgelagert worden oder stammen aus der Rückgabe von „Kriegsbeute“ seitens der Sowjetunion im Jahr 1958. Heute spielen sie eine wichtige Rolle, um Kriegsverluste in anderen Schlössern auszugleichen. Möbel und Gemälde aus dem Stadtschloss findet der Besucher unter anderem im Neuen Palais, in Sanssouci, in Berlin-Charlottenburg oder im Jagdschloss Königs Wusterhausen. Das Prunkbett von Friedrichs Bruder Prinz Heinrich, der ebenso wie zuvor der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und später die Königin Luise im Stadtschloss eine Wohnung besaß, steht jetzt im Neuen Palais, Mobiliar aus dem Tabakskollegium in Wusterhausen.

Burkhardt Göres gelang es, dem Publikum den hohen architektonischen und künstlerischen Wert des von Knobelsdorff unter Einbeziehung älterer Gebäudeteile geschaffenen Stadtschlosses nahe zu bringen. Es setzte Maßstäbe für alle folgenden Schlossbauten, selbst für Sanssouci, hinter dem es in der Kunstgeschichtsschreibung und im Touristeninteresse zu Unrecht zurückstand. Auch wenn es unmöglich sei, das Schloss orignalgetreu wieder zu errichten: Diese Maßstäbe müssten auch an einen Landtagsneubau angelegt werden, so der Schlösserdirektor. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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