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Kultur: Rutschpartie auf der Geige

Till Eulenspiegel mit der Kammerakademie

Stand:

Kindergeschrei durchflutet das Foyer des Nikolaisaals. Überall warten hier die Betreuer mit ihren quirligen Kitagruppen und Schulklassen, Kinder zwischen vier und acht Jahren, die innerhalb kürzester Zeit fast jeden Platz im Saal besetzen. Geladen haben Mitglieder der Kammerakademie Potsdam, unter der Leitung von Peter Rainer, zum Konzert „Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28“ von Richard Strauss. Till Eulenspiegel, der bekannte Schalksnarr, soll im 14. Jahrhundert seine gewitzten und intelligenten Schelmenstreiche gespielt haben. Er schlüpft dabei in verschiedenste Berufe und wandert von Ort zu Ort, um so sein Unwesen zu treiben. Am Montag nun in Potsdam.

Am linken Bühnenrand ist eine kleine Kulisse aufgebaut: eine schmale Bank, überworfen mit einem blauen Seidentuch, darauf das Buch mit der Musik, dazu eine kleine Hahn- und eine Tannenfigur. Für alle Kinder sichtbar, wird diese Kulisse groß auf eine Leinwand im Hintergrund des Orchesters projiziert. Moderator Peter Rainer betritt die Bühne, begrüßt das Publikum. Und plötzlich ist es still im Saal, alle Kinder blicken gebannt auf die Bühne und lauschen seinen Worten. Die Stille bricht, als Peter Rainer verschiedene Fragen an die Kinder stellt und diese laut durcheinander rufen. Überhaupt ist das ganze Konzert interaktiv angelegt. Die Kinder erarbeiten gemeinsam mit den Musikern die Geschichte von Till Eulenspiegel, dürfen dabei gelegentlich sogar auf die Bühne.

Dann kommt jeder Musiker einzeln mit seinem Instrument auf die Bühne, aber erst nachdem die Kinder herausgefunden, welche Instrumente in ein richtiges Orchester gehören: Cello, Klarinette, Kontrabass, Oboe, Querflöte, Horn, Fagott und Peter Rainer an der Geige. Damit die Kinder erfahren, in welcher Zeit die Geschichte von Till Eulenspiegel spielt, läuft ein mit Ritterhelm und Schwert – natürlich aus Plastik – bewaffneter Musiker vom Ausgang des Saales herein und macht sich lautstark bemerkbar. Er spielt das letzte fehlende Instrument in der Runde, die Bratsche. Dann fängt das Orchester an und nach dieser musikalischen Einleitung bricht großes Gelächter aus, als sich Peter Rainer die berühmte Narrenkappe aufsetzt und Till Eulenspiegel verkörpert.

Mit gemeinsamen Händereiben wird signalisiert, gleich passiert etwas, die Geschichte nimmt ihren Lauf. Geige und Bratsche lassen mit schnellen Bogenstrichen, auf einem Ton verharrend, die Spannung der Kinder steigen. Till heckt seinen nächsten Streich aus, er zerstört Tontöpfe auf einem Markt, alles poltert, vor allem die Töne der Instrumente. Und Till bekommt eine eigens für ihn komponierte Erkennungsmelodie, die immer wieder erklingt. Auch mit der kleinen Kulisse und den Figuren wird immer wieder gespielt. Auf sie werden im Verlauf der Geschichte die mitspielenden Figuren gestellt: Einen Esel, eine Prinzessin, einen Wissenschaftler, in Gestalt von Papa Schlumpf, mit langem, weißem Bart. Das kam besonders gut bei den Kindern an. Immer wieder stehen in dem gut einstündigen Konzert die Kindern im Mittelpunkt, machen mit, werden aus dem Publikum auf die Bühne geholt und stellen Till Eulenspiegel, Marktfrauen oder die Prinzessin dar. Fragen werden an alle gerichtet, die Kinder rufen lautstark durcheinander. Langeweile hat bei diesem aufmerksamen, jungen Publikum keine Chance. Der Nachwuchs entdeckt so den Klang und die Vielfalt der Musik auf spielerische Art und Weise. Mit einer Tonleiter vom höchsten zum tiefsten Ton auf der Geige wird Tills Rutschen während seines Streichs musikalisch umgesetzt. Das Liebeslied für die Prinzessin klingt fröhlich, unbeschwert und steigert sich ins Dramatische, als die Prinzessin die Liebe nicht erwidert. Die unheilvolle, spannende Stimmung während Till Eulenspiegels Gerichtsgang, wird mit einem tiefen Moll-Klang des Cellos und Kontrabass vertont.

Am Schluss wird die komplette Tondichtung von Richard Strauss vorgetragen und fünf Betreuerinnen mit je einer kleinen Figur müssen diese, passend zum jeweiligen Abschnitt in der Musik, in die Kulisse setzen. Für die Kinder wird hier mittels Musik die Geschichte noch einmal erzählt. Sie wird als ganz neue Ausdrucksweise für die Kleinen erfahrbar gemacht. Man begegnet gemeinsam Tönen und Tonabfolgen, die eine Situation musisch spürbar machen. Musik, das sind nicht nur aneinander gereihte Melodien, Musik drückt Emotionen aus. Die Kinder sind hellauf begeistert von diesem besonderen Mitmach-Konzert und geben ihrer Freude an der Musik durch den schallenden Schlussapplaus Ausdruck. Anna-Maria Kunath

Anna-Maria Kunath

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