Kultur: Saitenwechsel
„Four Styles“-Gitarrenfestival im Nikolaisaal
Stand:
Natürlich muss man davon ausgehen, dass sich unter den Besuchern des Gitarrenfestivals „Four Styles“ ein großer Anteil von Hobby- oder semiprofessionellen Gitarristen befand. Die richtigen Vollzeitgitarristen jedoch saßen im Halbkreis auf der Bühne: Heiko Ossig an der klassischen Akustikgitarre mit Nylonsaiten, Karl Schloz an der Jazzgitarre mit Verstärker, Georg Kempa mit der Flamenco-Gitarre und ganz rechts Moderator und „Bandleader“ Ian Melrose, der sich mit seinem Instrument voll und ganz der Technik des „Fingerpickings“ widmete. Der Abend sollte aus zwei Teilen bestehen, wobei zunächst jeder Interpret zwei Stücke zum Besten gab, während nach der Pause miteinander musiziert wurde.
Heiko Ossig machte den Auftakt mit einer Komposition von Fernando Sor, für den klassischen Gitarristen „eine Mischung aus Mozart, Schubert und allen zusammen“. Mit geschlossenen Augen auf den Notenständer fixiert, schaffte der Hamburger, jeden angehenden Gitarristen im Publikum schwer zu imponieren. Er legte eine beeindruckende Beweglichkeit der Finger an den Tag, die mit Sicherheit darauf schließen ließ, den Tag nicht draußen in der frostigen Kälte verbracht zu haben. Das zweite Stück, „Asturias“ von Isaac Albéniz, sorgte für die iberische Komponente, mit einer bemerkenswerten Harmonie zwischen Läufen und Akkorden sowie präzisen Flageoletts.
Aus der „Jazz-Abteilung“ kam der US-Amerikaner Karl Schloz, der aus seinen zwei mitgebrachten Jazzgitarren warme, weiche Töne lockte, die im Kontrast zum eben gehörten klassischen Spiel standen. Erstaunlich, dass es sich bei allen Instrumenten um Gitarren handelt: Es offenbarte sich eine Bandbreite verschiedenartiger Klangwelten. Schloz zelebrierte ein blueslastiges Spiel voll komplexer Akkorde sowie typischer Tempiwechsel, welche für die mitreißende Dynamik des Jazz sorgten. Regungslos fixiert lauschte man seiner Interpretation von Duke Ellingtons „Prelude for a kiss“. Wieder völlig anders Georg Kempa an der Flamencogitarre, wobei Kempas Erscheinungsbild mit den übergeschlagenen Beinen, auf denen locker die Gitarre lag, einen hübschen Kontrast zu den andalusischen Klängen ergab. Bei seiner „Alegría“ aus Cádiz zeigte er deutlich, wie man die Gitarre auch als Perkussionsinstrument benutzen konnte, paarte das rhythmische Schlagen auf den Korpus mit den flamencotypischen antithetischen Elementen, die sowohl im oberen als auch unteren Bereich des Gitarrenhalses realisiert wurden. Toll!
Ian Melrose schließlich präsentierte seine Eigenkompositionen, die er blumig umschrieb: Der Gedanke zu seiner ersten Komposition sei ihm bei der Vorstellung gekommen, Debussy müsste sechs Monate isoliert in einer schottischen Holzhütte verbringen. Und der Titel sei ihm dann beim Kochen einer Sauce hollandaise eingefallen: „Gigue highlandaise“. Melrose war sicherlich der modernste Gitarrist und spielte mit vollem Körpereinsatz, alles war bei ihm in Bewegung. Gekonnt ließ er die Lautstärke auf- und abschwellen und man vermeinte manchmal zwei Gitarren zu hören, so schnell ließ er die Stahlsaiten in einem Frage-Antwort-Spiel im 6/8-Takt erklingen.
Mit Spannung erwartet das Zusammenspiel der unterschiedlichen „Abteilungen“, welches mit dem „Pink Panther Theme“ von Henry Mancini eröffnet wurde. Musikalisch schafften es die Beteiligten, ihren eigenen Stil immer wieder durchklingen zu lassen. Ein gelungener Abend!Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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