Von Peter Buske: „Salome“
Staatstheater Cottbus gastiert im Hans Otto Theater
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Das Staatstheater Cottbus zu Gast im Hans Otto Theater: Kalt und bläulich strahlt Mondlicht auf die archaische Szenerie der Oper „Salome“. Auf abgeschrägtem, über den Orchestergraben ragendem Spielpodest umgrenzen kalkige Seitenwände ein unwirtliches Hofgeviert mit niedrigem Steintisch, einfachen Sitzgebilden und dem Gitterrost einer Zisterne. In diesem Verlies wird der Prophet Joachanaan, auch als Johannes der Täufer bekannt, gefangen gehalten. Regelmäßig klagt er die Verderbtheit am Hofe des Herodes Antipas an. Ein mahnendes Gewissen, das vom baldigen Erscheinen eines Messias zwecks Läuterung der Sitten lauthals kündet. Die judäische Prinzessin Salomé ist davon hingerissen. Sie wird von der Vision einer begehrenden und zerstörerischen Liebe ergriffen, die größer ist „als das Geheimnis des Todes“, wovon sie in ihrem Monolog ausgiebig kündet.
Ihre Lüsternheit für den Körper des Jochanaan und dann, als er sich ihr verweigert, für seinen Kopf, ist Ausgangspunkt für höchst dramatische Entwicklungen, die nicht nur für beide tödlich enden. Mit einer List kommt sie ans Ziel. Als Stiefvater Herodes triebhafter Stimmung verlangt, Stieftochter Salomé solle vor ihm tanzen und könne sich wünschen, was sie wolle, fordert sie nach ihrem eher unerotischen Tanz der sieben Schleier unentwegt den Kopf des Jochanaan. Schließlich bekommt sie ihn, küsst seine Lippen. Von Richard Strauss 1905 in damals schockierende Musik gesetzt nach Oscar Wildes „Salome“-Dichtung. Nach langer Zeit Potsdamer Bühnenabstinenz breiten sich der Titelheldin Gelüste und pathologischen Exzesse nun im Hans Otto Theater aus: in einer packenden, von Hans-Dieter Schaal so üppig wie nötig und daher so sparsam wie möglich ausgestatteten Inszenierung von Martin Schüler, Generalintendant des Staatstheaters Cottbus.
Vom ersten Takt an, als Hauptmann Narraboth (Jens Klaus Wilde) Salomes Schönheit begeistert beschreibt, ist man in den Bann des Geschehens gezogen. Im Hintergrund leuchtet wie unschuldig der Erdtrabant. Am Ende des mörderischen Geschehens, nach einhundert pausenlos gespielten Minuten, wird er der Erde bedrohlich nahe gekommen sein. Eine beeindruckende Metapher des Regisseurs dafür, dass die Welt wahrlich aus den Angeln geraten ist. Ausgelöst durch Salomes pubertäre Triebhaftigkeit, die Gesine Forberger mit hochdramatischem Spiel- und Sangesvermögen geradezu exzessiv vorzuführen versteht: eine in schwarzes Mieder mit Strapsen und Tüll knackig gekleidete, naiv-verruchte Kindfrau des Fin-de-Siecle-Zeitalters. Zunächst zeigt sie sich etwas kühl-sinnlich, ehe sie szenisch und stimmlich geradezu explodiert, Spitzentöne wie Magma schleudert. Und hat noch Reserven für die stimmbandmordenden Schlussszene „Es ist kein Laut Ah, du wolltest mich nicht deinen Mund küssen lassen, Jochanaan“. Fantastisch!
Psychologische Dimensionen aufzureißen versteht auch Matthias Bleidorn mit seinem lyrisch geprägten Tenor, der den Herodes nicht als Weichling, sondern als ganz und gar machtbewußten Tetrarchen vorzeigt. Schockiert von der Perversion Salomes ersticht er sie – anders als im Original – schließlich höchst eigenhändig. Mit ihrem ausdrucksstarken Mezzo singt Nadine Weissmann, kurzfristig für Carola Fischer eingesprungen, seitwärts an der Vorbühne die Partie der Herodias vom Blatt. (Die szenischen Aktionen hat AnnaLisa Canton übernommen.) Singdramatische Präsenz zeigt auch Ulf Paulsen als Jochanaan, ein kraftvoller Kerl in Statur und Stimme. Szenisch nicht weniger überzeugend geführt unter anderem das Quintett der religionseifernden Juden.
Glaubwürdigkeit entsteigt auch dem „Graben“, wo Evan Christ und das Philharmonische Orchester des Staatstheaters Straussens leuchtende und funkelnde Farben, seine exzessive Härte klangsinnlich entfachen. Das Ensemble aus Cottbus wird enthusiastisch gefeiert. Es ist nun allein für die Musiktheater-Angebote auch in Potsdam zuständig.
Wieder heute um 19.30 Uhr im Hans Otto Theater
Peter Buske
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