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Kultur: SAMURAI zwischen Gestern und Morgen

Die Kindertheatergruppe des Offenen Kunstvereins begab sich auf eine „Zeitreise im Angesicht des Todes“

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Die Kindertheatergruppe des Offenen Kunstvereins begab sich auf eine „Zeitreise im Angesicht des Todes“ Auf den ersten Blick scheint die Potsdamer Kindertheatergruppe SAMURAI von der Gegenwart nicht viel zu halten. Voriges Jahr erzählten die alerten „Japan-Krieger“ selbst erfundene Zukunfts-Geschichten von ihrem Raumschiff „Boulette“, am Wochenende hatte nun ihr neues Stück Premiere, diesmal als Vergangenheit. „Die Zeitreise im Angesicht des Todes“ ist ein „Auftragswerk“ voller Bedingungen: Das Spiel durfte nicht länger als 20 Minuten währen und sollte sich vor allem durch Bilder und Spiel verständlich machen. Der Grund: Mit dieser Eigenproduktion darf SAMURAI im Mai erstmals am Internationalen Kindertheaterfestival im französischen Valenciennes teilnehmen. Ihre „Konkurrenz“ kommt von weit, aus Papua-Neuguinea, Tibet und den USA. Was Wunder also, wenn auch dieses neue Spiel scheinbar nach Ferne greift, in eine mittelalterliche Stadt Europas: Kinder jagen sich um einen hohen Prospekt herum, der zugleich die Stationen der selbsterdachten Geschichte (Nikki Bernstein hat sie „aus SAMURAI-Ideen“ zusammengestellt) per Video-Einspielung verdeutlicht. Das Kind (Yole Bortz) trifft plötzlich auf einen Gnom (Hagen Hummel), dem sie ihren Herzenswunsch anvertraut, „kämpfen zu können wie ein Ritter“. Schon geht die Zeitreise los, computergestützte Labyrinthfahrten machen ja heutzutage alles möglich. Eine Feuerlohe ist zu queren, bevor sie den mittelalterlichen Markt erreicht. Hier trollt ein Narr (Moritz Heiligendorff) ohne Schellen, zwei tolle „Ladys" (Tabea Germo, Tanja Wehling) kaufen Schmuck von Händlern (Laura Kadler, Anselm Ludewig), na, und gerade schleichen auch zwei Räuber (Cikomo Paul, Johannes Pautzke) heran, die Leute zu beklauen. Yole Bortz kann sie ganz ritterlich und zugleich samuraimäßig per Stockkampf besiegen. Allerdings „im Angesicht des Todes“, der in der Vorstellung vom Mittelalter niemals weit ist. Beim Siegesumtrunk kommt der Sensenmann (Friederike Ulbrich) samt seinem Gehilfen (Philippe Kozik) daher, Exitus für viele. Die hübsche Geschichte dreht sich. Etwas fusselig, wird die Ritterin beschuldigt, den Wein vergiftet zu haben. Flucht zurück in die Gegenwart: Wieder jagen sich Kinder um den Prospekt, als begänne nun alles von vorn. Ulrike Schlue und Tilman Gegenbauer haben diese glaubhafte Geschichte sehr hübsch und phantasievoll für eine leere Bühne eingerichtet, doch freilich bleibt an manchen Szenen noch einiges zu tun, bei der Protagonistin etwa und der verbalen Verständlichkeit. Die fabrik war trotzdem wieder proppendicke voll, man musste sogar Stehplätze verteilen. Die Sache hatte noch ein Nachspiel. Benjamin Streitz und Franz Heiligendorff dachten sich als Zugabe einen kurzen Videofilm aus, welcher, klar, in die Zukunft führt. „Neulich im Weltall“ ist eine so köstliche Geschichte, dass am Sonnabend kaum ein Auge trocken blieb. Diesmal geht es um den fixen Rolf Quantenfuß, der vom Schlafsack seines Papas Allgeflüster hört: Sein Erzeuger soll mal da und dort gewesen sein... Hinter Schiffbauerdamms Ruinen findet er den alten Weltraumschreck, ein wunderliches Knatterding mit Zweitakt-Motor. Wie diese neue „Boulette“ per Trick in den Film hineingeschnitten ist, so auch jene Fabelwesen anderer Sterne, ein riesiges Lamm und ein Zappel-Roboter. Man kehrt zur Erde zurück. Ein noch schlaftrunkener Blick in den Kühlschrank zeigt dem kecken Jüngling, ob ihm das alles nur geträumt hat. Originell die Story, wunderbar leicht und witzig in Szene gesetzt, es war einfach herrlich, zumal beide Teile, Mittelalter und Zukunft, so stimmig zusammenpassen. Bei den quirligen SAMURAI bliebe Gegenwart außen vor? Von wegen! Zeitreisen dieser Art sind doch nichts anderes als Jetztzeit, nur eben leicht „versetzt“. Viel Erfolg damit in Frankreich. Gerold Paul

Gerold Paul

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