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Gerne im Fokus. Quasselstrippe Olli Schulz gibt mit seiner Hamburger Schnauze den geborenen Entertainer ab.

© Oliver Dietrich

Kultur: Sauna in Lankwitz

Der glänzend aufgelegte Showman Olli Schulz überzeugte im Potsdamer Lindenpark

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Respekt, Olli Schulz, da hat aber jemand einen ganz schön kometenhaften Aufstieg unternommen. Vor ein paar Jahren galt Schulz höchstens als Geheimtipp, der im Dunstkreis der Hamburger Schule umherschipperte, namentlich mit Bands wie Kettcar und Tomte. Mittlerweile ist der gebürtige Hamburger durchaus in der Lage, dem einen oder anderen die Show zu stehlen – und ist aus der deutschen Medienlandschaft gar nicht mehr wegzudenken. Klar, so etwas wie Schulz muss zwangsläufig zünden: Hamburger Schnauze, Quasselstrippe, geborener Entertainer und einfach jemand, der davon lebt und damit aufblüht, wenn er im Fokus steht, ob auf der Bühne, im Radio oder vor der Kamera. Am Freitag stand er nun als „SOS – Showman Olli Schulz“ im Lindenpark auf der Bühne

Olli Schulz in der Schublade Singer-Songwriter abzuparken kann allerdings nur als eine sehr grobe Kategorisierung gelten gelassen werden. Sicher, er hat eine Gitarre um, benutzt diese auch abseits jeder Virtuosität, und seine Texte sind zwar ganz gut, aber auch noch nicht der Gipfel der Kreativität. Aber das weiß sowohl Schulz als auch alle Angereisten: Das waren am Freitag eine ganze Menge – so gut gefüllt ist der Lindenpark nicht immer zu erleben, und das lag wohl nicht nur an der Berliner Fanbase. Nein, Schulz ist vielmehr die verzerrte Karikatur eines Singer-Songwriters, der es hervorragend versteht, sein Charisma einzusetzen, das kostbarste Gut des Wahlberliners. Er gehört zu den Menschen, die durch ihre schlagfertige Witzigkeit geradezu magnetisch wirken – die man allzu gern im Freundeskreis haben möchte, wenn nicht gar als Bundespräsidenten oder als Moderator von „Wetten, dass“.

Nein, der entscheidende Punkt zum Sieg geht an Schulz nicht etwa durch musikalisches Talent, das wäre einfach zu dünn, um einen derartigen Erfolg zu rechtfertigen. Er mag zwar singen und Gitarre spielen können, aber das können viele – das ist es also nicht, was Schulz zu so etwas Besonderem macht. Aber Musik ist für den ehemaligen Metalfan die niemals versiegende Quelle, aus der er sich munter bedient. Das fängt bei seinen Storys über sein Leben als Roadie an, wobei Peter Maffay ja traditionell sein Fett wegkriegt, läuft über Mia, die er – „Dein Herz ist ein Würfel aus Eis“ – dankbar als Projektionsfläche annimmt, um sie durch den Kakao zu ziehen, und endet immer wieder in Coversongs und Adaptionen. Und da ist es ganz egal, ob er sich Oasis oder die Potsdamer Metalband „The Walls Concave“ vorknöpft – aber das ist wohl schon das Einzige, was man Olli Schulz vorwerfen könnte, wenn man das wollte: dass er seine Kreativität zu sehr aus anderen Impulsen nimmt. Aber ist das eigentlich ein Problem? Nein, ist es nicht. Das ist durchaus legitim, und es klappt auch hervorragend.

Olli Schulz will unterhalten, und dazu braucht er die Gitarre eigentlich gar nicht. Vielleicht gibt sie ihm aber ein wenig Halt, wenn er das Kunststück vollbringt, eine so große Masse an sich zu binden und vor allem lückenlos auf konstant hohem Niveau zu bespaßen. Und er muss dafür nicht einmal den Kasper machen: Schulz teilt etwas mit, der redet nicht um des Redens willen, nein, da hat einer verstanden, wohin der Hase läuft. Geradezu herrlich, wie er sich über Prototypen der Gesellschaft echauffieren kann. „Halt die Fresse, krieg’n Kind“, singt er in einem Lied und fordert einfach nur dazu auf, endlich klarzukommen, oder widmet einen Song den „Spielerfrauen“, die offensichtlich ein völlig sinnfreies Dasein fristen müssen – und bei „Saunaaufguss in Lankwitz“ ist ja bereits der Titel sensationell. Damit gehört Schulz einer neuen Generation von Singer-Songwritern an, denen das Tragische zu tragisch ist und Moll-Akkorde zu inflationär gebraucht sind. Aber man kann auch durchaus unterstellen – und wird damit letztlich richtig liegen – , dass kaum einer gekommen war, um Schulz’ Songs zu lauschen. Es ging um das ganze Drumherum: Geschichten wie die von der Schlägerei mit Bela B., überhaupt sein ganzes breit ausgetretenes Kramen in der Erinnerungskiste, wobei er selbst am meisten lachen musste. Das ist einfach ganz unverkrampft witzig, und ein großes Stück trägt auch sein Hamburger Akzent dazu bei, dass man sich irgendwann den Bauch vor Lachen hält.

Das kann ja noch was werden mit Olli Schulz. Hoffen wir, dass er den Erwartungen gerecht wird und die Unterhaltungslandschaft nichts weniger als revolutionieren wird. Das läuft bisher ganz gut, und da ist auch noch einiges drin. Vielleicht braucht er ja die Gitarre dann gar nicht mehr so oft.

Oliver Dietrich

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