Kultur: Schäferidyllen mit Flöte und Fagott
Eröffnungskonzert mit Sergio Azzolini, dem Ensemble L’aura soave Cremona und Uwe Steimle
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„Als ich ein kleiner Junge war, sind wir in Dresden ins Schloss gegangen, in das Grüne Gewölbe und danach in die Kondi,“ beginnt Uwe Steimle seine Lesung in der vollbesetzten Friedenskirche. Ausgerechnet die feierliche Eröffnung der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, diesmal mit dem Motto „Sachsens Glanz trifft Preußens Gloria“, bot dem sächsischen Schauspieler und Kabarettisten die Gelegenheit, aus seinem Hörbuch „Der Zauberer von Ost“ vorzulesen. Das bereits 2006 veröffentlichte Werk erzählt Geschichten von und über die sagenhafte Schatzkammer von August dem Starken. Der „Gedankenspaziergang“ mäandert vorbei an Prunkstücken des Grünen Gewölbes vom Goldenen Kaffeegeschirr und dem Grünen Brillanten zum Wunderwerk des geschnitzten Kirschkerns mit den zweiunddreißig Gesichtern bis zu den Humpen des trinkfreudigen Monarchen. Was Uwe Steimle, der in gemächlichem, leicht sächselndem Tonfall vom Blatt liest, als sächsische Nationaleigentümer und als „Trost für die vielen verlorenen Kriege“ bezeichnet, ist sicherlich eine bis heute beeindruckende Sammlung. Insgesamt aber hinterlassen seine fein geschliffenen, durchaus humorvollen Äußerungen einen zwiespältigen Eindruck – dieses Maß an lokalpatriotischer Heimatkunde erschien manchem Besucher zu viel. Immerhin war man zur Eröffnung von Musikfestspielen gekommen.
Nicht gerade repräsentativ für die Epoche von August dem Starken ist das musikalische Programm, welches ganz im Zeichen der Instrumentalmusik steht. Denn in keiner anderen deutschen Stadt wurde die Kunst des italienischen Operngesangs so gepflegt wie in Dresden. Anders als die prunkvollen Operninszenierungen erfüllten Instrumentalkonzerte damals keine anderen Zwecke als die von Tafel- und Unterhaltungsmusik. Daraus ein abendfüllendes Konzert zu bestreiten, stellt bei den heutigen anspruchsvollen Hörgewohnheiten eine echte Herausforderung dar. Der Griff in die Kiste der Vergangenheit, in diesem Fall in den berühmten Schrank No: II, der die Notensammlung von Johann Georg Pisendel enthält, schien die Lösung zu sein. Immerhin kann man so, historisch abgesichert, auch einige eher unbekannte Künstler und Komponisten aus dem Umfeld des sächsischen Hofes präsentieren. Wenn dann noch das italienische Ensemble L’aura soave Cremona unter der Leitung des hierzulande allseits bekannten und beliebten Sergio Azzolini auf Originalinstrumenten spielt, scheint der Erfolg sicher.
Ob Violine, Oboe, Fagott oder Flöte – das zwanzigköpfige Ensemble überzeugt mit großartigen Musikern. Temperamentvoll rauscht das einleitende Concerto in D-Dur von Georg Philipp Telemann auf, mit einer fein ziselierten, elegischen Melodie im Adagio und feurigen Klangwogen im Allegro – typischer Azzolini-Klang möchte man sagen. Überhaupt ist das Programm ganz auf den Fagottisten zugeschnitten, welcher dezent und wirksam den Ton angibt. Von Johann Georg Pisendel, dem Konzertmeister und Begründer der berühmten Dresdner Violinschule, erklingt ein Concerto für Fagott und Oboe. Das virtuose Zusammenspiel ergibt ein Musterbeispiel verliebter Schäferidylle ohne stilistische Extravaganzen.
Auch in Francesco Cattaneos Concerto in D-Dur vermählt sich das Fagott mit einem weiteren Instrument, diesmal mit der Violine. Gegensätzlicher als diese beiden können musikalische Charaktere kaum sein – hier die gleißend-hellen, schnellen und langen Töne der Geige, dort das brummelnd hinterhereilende Fagott. Gleich doppelt tritt das Modeinstrument der Zeit in Johann Friedrich Faschs Concerto für zwei Traversflöten auf, mit einer veritablen Imitation des „verliebten Gurren eines Taubenpärchens“ auf herzigem Dekor. Den harmlos-konventionellen Rokoko-Idyllen fügt das abschließende Concerto G-Dur von Jan Dismas Zelenka einen Hauch von Unruhe und Aufruhr hinzu. Ungewöhnlich charaktervoll klingt das bereits 1723 in Prag komponierte Werk für acht Instrumente, das dem Fagott düster-hohle, wie aus einem Brunnen aufsteigende Kantilenen gibt. Mit seinen ungewöhnlichen dynamischen, rhythmischen und harmonischen Kontrasten öffnet es bereits die Ohren für die symphonische Zukunft der absoluten Musik. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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