Kultur: Schaumig, delikat, herbbitter
Seit zwei Jahren ist Silvia Careddu Soloflötistin bei der Kammerakademie Potsdam. Bei ihrem ersten Kammerkonzert im Foyer des Nikolaisaals präsentierte sie am Sonntag ein weites Spektrum des Flötenspiels.
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Seit zwei Jahren ist Silvia Careddu Soloflötistin bei der Kammerakademie Potsdam. Bei ihrem ersten Kammerkonzert im Foyer des Nikolaisaals präsentierte sie am Sonntag ein weites Spektrum des Flötenspiels. Die erste Hälfte des Programms gehörte deutschen Komponisten, kein einfacher Einstieg für die zierliche Italienerin, schon gar nicht mit der Flötensonate von Friedrich II von Preußen in g-Moll. Dass es ihr nicht recht gelingt, dieser regelhaft gedrechselten Minisonate viel Leben zu einzuhauchen, verwundert nicht. Dabei dürfte nicht entscheidend sein, dass dieses Stück wie auch die anderen aus dem 18. Jahrhundert mit einer modernen Flöte gespielt wird. Vielmehr verstellt der hochartifizielle Stil dieser Klangrede, wie sie zumal in Deutschland üblich war, häufig genug eine sinnliche Darbietungsweise. Das betrifft auch Carl Philipp Emanuel Bachs Triosonate in B-Dur, die ursprünglich für Flöte und Violine geschrieben wurde. Hier übernimmt José Gallardo auf dem Cembalo mit fingerflinker Geschmeidigkeit den Part der zweiten Stimme, während Jan-Peter Kuschel souverän auf dem Violoncello begleitet. Nur im ersten Satz erlaubt sich Bach gewisse Freiheiten des Ausdrucks, welcher mit langsam hochgeschraubten Flötentönen fast überdramatisiert wird. Bei den Folgesätzen reiben sich gelehrte Konstruktivismen und galante Verzierungen so aneinander, dass daraus kein rechtes musikalisches Vergnügen entstehen kann. Einen besseren Zugang bietet die Sonate in e-Moll von Johann Sebastian Bach mit anmutigen, kantablen Linien, wiegender Rhythmik im bukolischen dritten Satz und verspielten Echoeffekten. Sie besitzt viele Merkmale italienischer Musik, die Vater Bach gut studiert hatte. Erst hier findet Silvia Careddu zu einer Hochform des Flötenspiels, die sie nach der Pause noch erheblich steigerte.
Werke französischer Komponisten erlauben wonnige Klangbäder, bei denen die vielfach preisgekrönte Flötistin ihr musikalisches Temperament in voller Blüte entfalten kann. Dabei erweist sich José Gallardo, der nun am Flügel sitzt, als kongenialer Partner. Den Ausflug in die romantischen Klangwelten eröffnet die Fantasie von Gabriel Fauré, ein betörend kapriziöses Kleinod des Flötenspiels. Als anspruchsvollstes und gelungenstes Werk des Konzerts entpuppt sich die Flötensonate von Francis Poulenc. Schaumig, delikat, herbbitter erklingt das Allegretto malinconico voll köstlicher musikalischer Einfälle und ausgefallener Blastechniken. Kaum zu überbieten die noblen, elegischen Klangbilder des zweiten Satzes, dem ein übermütiges Finale folgt. Erstaunlich, dass danach noch Kraft für ein weiteres Bravourstück vorhanden ist. Es ist ungewöhnlich, die berühmte, ursprünglich für den Violinvirtuosen Eugène Ysaye komponierte Sonate in A-Dur von César Franck Werk in dieser Version zu hören. Was die Geige mit ihrer reicheren Gestaltungsskala bis ins Feinste schattieren kann, gerät bei der Flöte letztlich doch eindimensionaler und wirkt wie ein schwarz-weißer Scherenschnitt, der es trotz reicher Ornamente und zarter Ziselierungen nicht mit einem Gemälde aufnehmen kann. Zunehmend verlagern sich Careddu und Gallardo dabei auf einen expressiven, dramatischen, bisweilen wuchtigen Ton. Begeisterter Beifall belohnt diese großartige Kammermusiksoiree zuletzt. Auch die Zugabe der Romanze von Gabriel Fauré beweist einmal mehr, dass die eigentliche Flötenheimat in Frankreich liegt. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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