
© Andreas Klaer
Von Gerold Paul: Schaurig schön bis heiter
Generationentheater sprach und spielte deutsche Balladen im Malteser Treffpunkt Freizeit
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„Tand, Tand, ist das Gebilde von Menschenhand!“ lässt Theodor Fontane die drei Hexen ausrufen, bevor sie "Die Brück´ am Tay" in der siebten Stund zusammenkrachen lassen. Vielleicht war der Neuruppiner einer der letzten Balladengestalter, jener schaurig-schönen Dichtungen, die unbekannte wie auch namhafte Autoren haben. „Tand, Tand, ist das Gebilde aus Menschenhand!“ kicherten am Donnerstag auch die drei Hexen von der Bühne im Treffpunkt Freizeit herab, schauerlich-schön, na klar. Sie gehörten zu den elf Darstellern des Generationentheaters, welches am Donnerstag dort seine neueste Produktion, ein Balladenprogramm, zur Premiere brachte. „Deutsche Balladen“ des 18. und 19. Jahrhunderts aus der Feder von Heine, Storm, Schiller, Uhland oder Goethe hört man ja nicht mehr so oft. Wie diese Theatertruppe nun durch „Verjüngung“ aus dem Leibniz-Gymnasium ihrem Namen alle Ehre machte, so war es das Anliegen von Spielleiterin Johanna Lesch, diese Kostbarkeiten der deutschen Literatur nicht unbedingt gerade und brav, sondern mehr szenisch zu kreieren; vielleicht hängt beides zusammen. So bildeten die Hexen eine Gruppe, indes eine zweite die Menschenseite darzustellen hatte. Wie im echten Leben, gab es zwischen beiden keine Korrespondenz.
Ohne Zweifel hat die Regie viel an Fantasie und Handwerk (durchweg gute Sprachbehandlung) investiert, Mut und Wagnis nicht gescheut, das hehre Literatur-Erbe einem heutigen, gar ungeübten Publikum nahezubringen. Zuerst einmal durch Lachen: Goethes „Zauberlehrling“, von Adrian Seiß sehr hübsch „aufgelöst“, zeigte das wohl. Er begann mit ein paar Freiübungen, nutzte dann weithin den Bühnenraum, die anderen spielten kommentierend mit. Da war sehr schön Lakonik drin, wie auch in Schillers „Bürgschaft“, Abstand also zum Balladen-Ton, teils gar Verzicht auf Pointen. Auf dem gleichen Level auch Schillers "Handschuh", wobei hier Schellen den schweren Gang des stolzen Ritters imitierten. Dies war aber nur das Nebenamt von Olaf Mücke (Gitarre, Bass) und Thorsten Müller, Klarinette, sonst spielte man zwischen den Balladen Klezmer, Jazz-Standards und Eigenes auf hohem Niveau.
Was freilich bei Heines Mär vom gotteslästerlichen „Belsazar“ im kollektiven Erschauern noch ging, zeigte bei Droste-Hülsoffs „Knaben im Moor“ bald seine Tücken. Vor lauter „Knick!“ und „Knack!“-Grammolos ging der Sinn dieser Geschichte in die Binsen - trotz des bösen Geigemann und der Spinnlenor, die schaurig da im Nebel auferstanden. Johanna Lesch experimentierte viel, vielleicht zu viel, indem sie Textpassagen von verschiedenen Gruppen („Herr Ribbeck auf Ribbeck“) sprechen ließ, durch chorisches Skandieren, szenisches Spiel („Die Bürgschaft“), durch „stehende Bilder“ wie etwa in Goethes Undinen-Mär „Der Fischer“. Fontanes traurige Geschichte vom Lebensretter „John Maynard“ bedeutete Grenz-Überschreitung: zu viel „Szene“ verdeckt den Ernst der Ballade. Uhlands „Des Sängers Fluch“ war dann wieder gelungen. Es bleiben Fragen: Nicht zur erquickenden Kollaboration gestandener (die Nestorin Helma Sage ist 82) und „frischer“ Spieler, das ist über den Anlass hinaus große Klasse, sondern ob man sich nach der Experimentierphase auf wenige Formen hätte verständigen können. Insgesamt: Schaurig-schön!
Gerold Paul
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