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Kultur: Scheißleben

Andreas Altmann liest in der Villa Quandt

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Fast scheint es, als schlüge sich sein bewegtes und abenteuerliches Leben auch in der Sprache nieder, so schöpferisch stark, so greifbar, dynamisch und leidenschaftlich versteht es Andreas Altmann, davon zu erzählen. In seinen beiden jüngsten, autobiografischen Büchern, die er am heutigen Samstag in der Villa Quandt vorstellen wird, wirkt nichts gekünstelt. Kraftvoll und elegant, stets wohltuend ehrlich, ungezügelt und immer wieder auch provozierend ist Altmanns Erzählton, wenn er seine traumatische Kindheit und die Flucht aus dieser Hölle beschreibt, wenn er hernach über sein Getriebensein, seinen Hunger nach Leben und Intensität berichtet. Ein Hunger, der ihn auf fast alle Kontinente der Welt geführt und der ihn zu einem der bekanntesten deutschsprachigen Reiseschriftsteller gemacht hat.

Andreas Altmann, der heute in Paris lebt, konnte erst mit 62 Jahren aufschreiben, welche Torturen er als Kind erleiden musste. „Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend“ (Piper Verlag, 9,99 Euro) hat er sein 2011 erschienenes Buch genannt, zornig und wortgewaltig rechnet er darin ab mit seinem Vater, von dem er täglich gedemütigt und brutal verprügelt wurde, mit seiner hilflos schweigenden Mutter, mit der verlogenen Kleinbürgerwelt und den pädophilen Religionslehrern in seiner Geburtsstadt, dem erzkatholischen Wallfahrtsort Altötting, diesem „Provinzloch“ in Bayern, dieser „Brutstätte hechelnder Bigotterie“, dieser „Stadt voller Pfaffen und von Pfaffen geducktem Volk“. Selten hat man eine solch bedrückende, ja, in ihrer drastischen Gewaltschilderung mitunter anstrengende Lektüre erlebt. Dabei ist Altmanns Buch keine Vatermordprosa oder etwa ein weinerlicher Text, mit dem sich der Autor freischreiben will, sondern ein knallharter Tatsachenbericht, der auch zeigt, wie man inmitten häuslicher Tyrannei seine Würde bewahrt, sich selbst behauptet.

Mit knapp 18 Jahren gelingt Andreas Altmann diese Befreiung, er verlässt sein Elternhaus für immer. Er beginnt ein Studium, steht bald als Schauspieler auf der Theaterbühne und schlägt sich lange Zeit mit etlichen Gelegenheitsjobs durch. Bis er eines Tages das Schreiben für sich entdeckt und kraft einer schier unbändigen Lebenswut plötzlich als Reisereporter seine Berufung findet. Etwa hier knüpfen die „Geschichten eines Davongekommenen“ an, wie Altmann sein neues, in diesem Jahr erschienenes Buch „Dies beschissen schöne Leben“ (Piper Verlag, 19,99 Euro) untertitelt hat. Keineswegs aber sind in diesem sehr kurzweiligen Band nur die etwa in New York, Hongkong oder auch in Johannesburg erlebten Geschichten eines Globetrotters versammelt. Es finden sich hier ebenso gut Texte, die von der Selbstfindung eines Autors zeugen, der abermals weder sich noch den Leser schont, so wenn er von seinen kriminellen Neigungen, seinen Drogenerfahrungen oder seinen sexuellen Eskapaden berichtet. Getreu seiner Maxime, immer „ganz nah ran“ ans Leben zu gehen, gereift und mit großer Offenheit schreibt Andreas Altmann. Dass er dabei immer wieder gegen die „moralisch einwandfreien Zeitgenossen“ austeilt und sich hie und da gern selbst beweihräuchert, geschieht bei ihm nicht aus der Pose eines Schreibtischliteraten, sondern aus einem gesunden Stolz und dem Charme eines wirklichen Abenteurers heraus. Daniel Flügel

Andreas Altmann liest am heutigen Samstag, 20 Uhr, in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47. Der Eintritt kostet 10, ermäßigt 8 Euro.

Daniel Flügel

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