Kultur: Schenken tut niemanden kränken
Nachdenken über Geben und Nehmen
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Als Jesus geboren wurde, schenkte er nichts. Im Gegenteil: mit Weihrauch, Myrrhe und Gold brachten ihm die Weisen aus dem Morgenlande zurück, was seit der Vertreibung des alten Adam in der Welt verstreut war: Die Insignien des Priesters, Arztes („Heiland“) und Königs, in der „dreifachen Krone“ vereinigt. Später beschenkte er jedermann reichlich – den Priestern die rechtmäßige Theologie, den Armen und Kranken Speise und Gesundheit, ohne Lohn zu verlangen. Steht sein Königtum auch noch aus, so feiert die Welt alljährlich seine Geburt an Altären wie an reich gedeckten Gabentischen.
Wie man hört, ist der Handel zufrieden, der Käufer ist“s, mithin das Brutto-Sozialprodukt. Geschenkt? Süffisanterweise bezieht sich das germanische Stammwort auf der Wirte Brauch, ein Gefäß beim Eingießen „schief zu halten“, vermutlich wegen des Schäumens und Brausens. Schenken kann etymologisch genauso Widmen, Geben, Darreichen sein wie das Gegenteil: Tatsächlich hält mancher Empfänger den Kopf etwas schief, so man ihm gibt, was seinen Geschmack nicht trifft, weil es das Herz nicht erreicht.
Was alle Jahre wieder unter dem Baume geschieht, ist kompliziert genug, denn der Schenkende, das Schenken, Geschenk und Beschenkter kommen letztlich wieder zusammen, als wäre es eine Person. Das merkt man spätestens an sich selbst, wenn die Freude des eben Beglückten auf einen überspringt oder man Reserviertheit erntet. Man erhält (weil auch dieser Part ein geistiger ist) stets genauso viel zurück, wie man gibt. Letztendlich ist Geben seliger als Nehmen. Schenken macht reich. Wer je glückliche Kinderaugen vor dem Wunschteddy gesehen, wird das bestätigen. Dank aber sollte man gerade von ihnen niemals erwarten. Geben ohne jede Erwartung ist laut Luther viel besser.
Freilich hat sich heute alles nach außen gekehrt: Der Schenkende sieht sich oft nur in der Pflicht. Aus dem innerlich verstandenem Reichtum des Gebens ist Armut oder Armseligkeit geworden. Arm an Seligkeit: Welches Geschenk unterm Tannenbaum machte hienieden jemanden heil, da aus christlicher Sicht allesamt jenes Heilands bedürfen? Die Perlen schmücken ein Weib, Bücher vermehren das Wissen. Mit Computerspielen oder Zweit-Fernsehern aber verschenkt man nichts weniger als Einsamkeit. Und meint gar nicht Schmuck, sondern „werde schön“, nicht Parfüm, sondern „rieche gut für mich“, Joysticks nicht, sondern „keine Zeit, vertreibe deine Tage nur selber!“. Das sind die heimlichen Wünsche des Gebenden – es ist alles eine Person.
Letztlich verhalten sich Haben und Sein wie Innen und Außen, man schenkt, was man selber ist: Nicht innere Perlen, sondern äußere, nicht inneren Schmuck, sondern äußerlichen, nicht Obhut, sondern Ablenkung. Das Herz macht dies alles mit. Weil die Seele aber bei einem solcherart Wunsch- oder Tauschgeschäft offenbar Schäumen und Brausen verspürt – als wäre da noch eine Schuldigkeit zu begleichen – zieht es sie gerade zur Christnacht an die hohen Altäre. Als ob sie spürte, dass noch etwas fehlt.
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