Kultur: Schlagfertig
Wilde Trommelorgien und modern vertrackte Kompositionen: Peter Sadlo und die Via Nova Percussion Group im Nikolaisaal
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Einen leichten Hang zum Masochismus kann man Peter Sadlo und den vier Herren der Via Nova Percussion Group mit gutem Gewissen attestieren. Minutenlang schlagen sie sich auf die eigenen Schenkel, verpassen sich gelegentlich ein paar Backpfeifen, traktieren dann noch andere Körperteile mit Hieben und freuen sich dabei. Das Publikum ebenso. Weniger darüber, dass fünf Männer sich auf der Bühne allein verhauen, was gelegentlich schon komikhafte Züge annimmt. Sie klingt einfach gut, diese „Suite for no instruments“ des Komponisten Wolfgang Reifeneder. Dieser Reifeneder war Schüler bei Sadlo, und so klingt dieses Stück, als hätte er es seinem ehemaligen Lehrer, im wahrsten Sinne des Wortes, auf den Leib geschrieben.
„Drum together. East meets West“ ist das Programm am Freitagabend im Nikolaissaal überschrieben. Der Münchener Sadlo, nicht zum ersten Mal in Potsdam, will trommelnd und schlagend unterhalten. Zur Verstärkung hat er die vier jungen Musiker der Via Nova Percussion Group mitgebracht. Sadlo sorgt für die westlichen, die Via Nova Percussion Group mit den beiden Bulgaren Alexander Kamenarov und Georgi Vabanov für die östlichen Einflüsse beim gemeinsamen Haudrauf. Trommeln, Hölzer, Marimbas, Blech, Pappkartons und wie schon beschrieben, der eigene Körper, müssen herhalten. Und es ist schon erstaunlich, wie diese fünf Musiker mit den an sich beschränkten Mitteln ein abwechslungsreiches und dabei äußerst kurzweiliges Programm gestalten.
Bob Beckers „Mudra“ für Trommel solo und Percussion Quartett dient als zurückhaltende Einstimmung. Ein fast schon minimalistisches Werk, für das sich Becker von indischen Folklorethemen inspirieren ließ und das mit seinem sich wiederholendem Dreiklangspiel an den „Tintinnabuli“ genannten Stil des estnischen Komponisten Arvo Pärt erinnert. Dann folgt aber sogleich die der Schlagwerke innewohnende Kraftstrotzerei.
Zuerst einmal tobt sich Sadlo durch Iannis Xenakis „Rebonds, Part B“. Archaische Rhythmen, die sich fast schon tranceartig wiederholen und nur gelegentlich durch abstrakte Schlagmuster aufgebrochen werden. Schwerstarbeit für den Meister aus München. Doch wer glaubt, dass das, was Sadlo mit „Rebonds“ an Geschwindigkeit vorlegt, nicht zu überbieten sei, wird von der Via Nova Percussion Group eines besseren belehrt. Wie die Vier sich auf den Marimbas mit „Bulgarien Folksongs“ dem Geschwindigkeitsrausch hingeben, ist wahrlich „aberwitzig“, wie Sadlo es selbst nannte. Da das Ohr diesen rasenden, vertrackten Rhythmen nicht mehr folgen kann, will man sich aufs Auge verlassen und versucht den fliegenden Schlegeln zu folgen. Nur mit dem Resultat, dass einem schnell schwindlig wird von diesem flirrenden Gewusel auf den Marimbas.
So wechselt es dann ständig zwischen wilden Trommelorgien und modern-vertrackten Kompositionen. Dazwischen Höhepunkte Reifeneders „Suite for no instruments“ oder Thierry De Meys „Musique de Table“. Fünf Männer, zehn Hände, ein Tisch, sechs Seiten mit den Noten und 32 Seiten mit der Choreografie für die Hände, mehr braucht es nicht für diese Meisterstück.
Bei einigen Damen im gut besuchten Nikolaisaal sorgt es dann fast schon für Lachkrämpfe, zu beobachten, wie fünf Herren mit höchster Konzentration über den Tisch streichen, kratzen, auf ihn schlagen und klopfen. Peter Sadlo und der Via Nova Percussion Group ist das nur recht. Sie wollen bei allem Anspruch vor allem unterhalten. Dafür darf man sich dann vor Publikum gelegentlich ruhig auch mal selbst verhauen.
Dirk Becker
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