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Kultur: Schlagworte zur Gegenwart Schauspielschule „Ernst Busch“ im T-Werk

Zwei blühende Obstbäume stehen auf der Bühne. Zu ihren Füßen drei Paare, in Kleidern längst vergangener Zeiten und in Posen erstarrt.

Stand:

Zwei blühende Obstbäume stehen auf der Bühne. Zu ihren Füßen drei Paare, in Kleidern längst vergangener Zeiten und in Posen erstarrt. Halbmasken aus Papier vor den Gesichtern, welche die hochtoupierten Perücken andeuten. Sie lösen sich aus der Erstarrung und spielen pantomimisch eine höfische Gartengesellschaft. Mit einem schrillen Schrei bricht die Szene in einen ausgelassenen Charleston. Dann fallen die Figuren aus dem Tanz heraus, als wüssten sie nicht, was sie dort sollen, leise, elektronische Musik. Sie schälen sich aus den wallenden Röcken, aus Kniebundhosen und Fräcken, stehen in Unterwäsche und Minirock da und untersuchen den Boden. „Heimat24“ heißt das Stück, das im T-Werk Premiere hatte. Mit der Diplominszenierung schließt die Potsdamerin Stefanie Döhle ihr Studium der Theaterregie und Choreographie an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ ab. Aus Texten der Autorin Esther Dischereit, die Stefanie Döhle zu dem Thema Heimat in Zeiten der Globalisierung in Auftrag gegeben hatte, haben die Regisseurin und die Dramaturgin Katharina Poldrack eine Szenencollage zusammengestellt. Monologe und Dialoge werden verbunden durch Chöre, die in reduzierte Choreographien eingebunden sind. Chöre, welche die Nationalhymne singen, sich in Filmposen bewegen oder Werbetexte für Zuwanderer und Globalisierung rezitieren. Die Figuren geben, frontal zum Publikum, Bruchteile ihrer Geschichte preis. Die Muslimin Maria (Bettina Scheuritzel), die in Deutschland putzt und sich nicht sicher ist, was man von ihr verlangt, wie sie sich verhalten soll, ob sie überhaupt davon erzählen soll, wie ihre sechzehnjährige Tochter damals von dem Lehrer vergewaltigt wurde. Maria ist mit zwei Kindern aus Bosnien geflohen, der Mann konnte nicht nachkommen. Wenn Maria ihre Freunde zum Essen einlädt, dann ist da immer noch ein Platz leer. Frauen treffen Männer, zufällig. An Flughäfen oder auf Tagungen. Unbeholfenes Kennenlernen, dass in unnatürliche Distanzlosigkeit verrutscht: „Willst du mit mir schlafen?“ „Bist du immer so schnell?“ „Ich meine, jetzt.“ Als Hans-Georg (Erik Studte) zögert, zertritt Stella (Andrea Hintermaier) brutal den Plastikbecher, den er ihr geschenkt hatte. Hans-Georg zuckt zusammen, als zertrete sie sein Herz. Sie lässt ihn stehen. So, wie sie vorher Jannik (Andreas Schwankl) stehen ließ: „Ruf nicht mehr an!“ Jannik und Stella, das Paar, das von dem Umstand überfordert wurde, endlich mal nicht nur per Handy beieinander zu sein. Es ist Stefanie Döhle und ihren Schauspielern gut gelungen, die Fremdheit der Figuren darzustellen. Nie scheinen sie angekommen, immer nur spielen sie Formen, die nicht ihre eigenen sind. Etwas müde war der Applaus im fast ausverkauften T-Werk. Ausdruckskraft und exaktes Spiel der Schauspielenden war beeindruckend, die Dialoge oft witzig und treffend zugespitzt. Doch es gab wenige Momente in dem rasanten überformten Ablauf, die einen wirklich erreichten. Die Aussagen blieben in einem schlagwortartigen Charakter stecken, Schlagworte zur Gegenwart. Dagmar Schnürer

Dagmar Schnürer

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