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Kultur: Schmachtend – sehnsüchtig Flötenvariationen am 4. Advent im Nikolaisaal

Lüstern verfolgt der bocksfüßige Gott Pan die Nymphe Syrinx. In ihrer Not verwandelt sie sich an ufernahem Gestade in ein Schilfrohr.

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Lüstern verfolgt der bocksfüßige Gott Pan die Nymphe Syrinx. In ihrer Not verwandelt sie sich an ufernahem Gestade in ein Schilfrohr. In welches? Pan weiß es nicht. Also schneidet er mehrere Halme ab und bündelt sie, lässt seinen seufzenden Atem darüber wehen. Ein feiner, sehnsüchtiger Klang lässt ihn aufhorchen. Nun hat er seine Syrinx stets bei sich. Die Panflöte ist, so vermeldet es die Sage, geboren und seither der Volksmusik vieler Länder ein unentbehrlicher Begleiter. Doch warum ihren schmachtenden Klang nicht auch der Klassik (am Sonntag) andienen?! Unter dem verheißungsvollen Titel „Wie stark ist nicht dein Zauberton “ stellen Michael Helmrath und seine Brandenburger Symphoniker im ausverkauften Nikolaisaal einige geeignete Stücke vor. Originale sind''s nicht, dafür aber originelle Bearbeitungen. Wie beispielsweise Johann Joachim Quantzens G-Dur-Konzert für Traversflöte, das von Panflötist Ulrich Herkenhoff effektvoll geblasen wird. Zuvor wärmt Moderator Clemens Goldberg die Mär auf, die Flauto traverso sei ein gefährliches Instrument, weil sie den Spieler verweichliche – siehe Friedrich II., Freund Katte und Co. Dann schlägt sich der Bogen zur Panflöte: Kann man auf ihr keck trillern? Im Falle von Friedrichs Flötenlehrer gelingt es bei allem virtuosen Bemühen kaum. Dessen Klangidealen kommt die Panflöte jedoch erstaunlich nahe. Fern jeglicher folkloristischer Attitüde spielt Ulrich Herkenhoff in den Ecksätzen reizvolle Keckereien. Leicht verhangen hört sich das Arioso an, dessen obertonreiches Schwellen und Tremolieren die Sinne anspricht. Auf einem größeren Instrument, das dunkler tönt und tiefer reicht, erklingt die Sicilienne aus der Orchestersuite „Pelleas et Melisande“ von Gabriel Fauré (1845-1924). Die Erwartungen nach folkloristischem Frohsinn werden dann bei einigen „Rumänischen Volkstänzen“ von Béla Bartok (1881-1945) restlos erfüllt. Zwischen schmachtend und tänzerisch auftrumpfend schöpft der Solist die Spannbreite dessen aus, was Volksmusik bereitzuhalten versteht. Das Orchester lässt sich davon anstecken. Bei diesen nachmittäglichen Flötenvariationen hat auch Johann Sebastian Bach mit seinem 4. Brandenburgischen Konzert G-Dur BWV 1049 einen Platz, das nach zwei Blockflöten (Angela Cornelius, Martin Ripper) verlangt. Der Instrumente pastoraler Gesang, so Goldberg, sei Symbol nicht für Pan, sondern für die Nymphe Echo, der er liebestoll nachstelle. Nun ja, es lässt sich mancherlei in die Musik hineindeuteln Hier erweisen sich die Brandenburger Symphoniker als dezent begleitendes, flexibel reagierendes Tutti, das den Concertisten, wozu noch eine fleißige Solovioline (Andreas Preisser) gehört, den Vortritt überlässt. „Keine Experimente“ heißt es auch bei Claude Debussys „Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns“, dessen flötenexemplarisches Räkeln und Träumen sich auf moderner Querflöte mittels eines etwas unruhigen Flötentons mitteilt. Statt süffigen orchestralen Schmeichelsounds für die Seele gibt es sehr kontrolliertes, jedoch klangraffiniert musiziertes Schlafträumen. Zum Schluss erklingt Mozarts „Zauberflöten“-Ouvertüre, die dem Programm wie angepappt wirkt und wohl nur als (schlechter) Beweis für das Titelthema herhalten muss. Peter Buske

Peter Buske

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